Zu Teil 2
Um sich darüber im Klaren zu werden, wie wenig die großen drei monotheistischen Religionen das Glück des einzelnen Menschen im Blick haben, erkennt man an der Eifersucht der entsprechenden Götter auf alles, was das irdische Glück des Menschen ausmachen könnte. Die Religionen vergreifen sich auf unerträgliche Weise an der Liebesfähigkeit des Menschen. Dass die Spezies Mensch in der Lage ist, andere Menschen zu lieben, scheint den Neid des monotheistischen Gottes zu entfachen. Ich habe auf diese Problematik bereits in meinen Blog-Artikeln Nächstenliebe à la Jesus ist nicht genug, Paulus hatte von Liebe keine Ahnung und Du darfst Deine(n) Nächste(n) lieben hingewiesen. Ein erster Warnschuss für jeden vernünftigen Menschen muss der furchtbare Auftrag Gottes an Abraham, seinen eigenen Sohn zu schlachten, gewesen sein. Diesmal hatte Gott noch ein einsehen, aber wenig später in der weit weniger bekannten Geschichte (Buch Richter, 11) bringt der Feldherr Jephte Gott zum Dank für seinen mitlitärischen Sieg über die Ammoniter seine Tochter zum Brandopfer dar und diesmal zieht Gott nicht die Notbremse. Dass dieser Gott nicht davor zurückschreckt, seinen eigenen Sohn zunächst foltern und anschließend am Kreuz elendig verrecken zu lassen, nur um seinen eigenen Zorn über die Menschheit, verursacht durch eine banale Tat Eva's, zu besänftigen, passt in dieses Bild. Einen Menschen ermorden ist, da sind wir uns alle einig, ein Kapitalverbrechen. Ein Kind ermorden ist ein ekelerregendes Kapitalverbrechen. Den Vater dazu zu bringen, sein eigenes Kind zu töten, übertrifft die beiden ersten Verbrechen noch an Grausamkeit. Wer tut so etwas? Antwort: Gott!
Eigentlich schade, dass Jesus keine Tochter oder Sohn hatte. Dann hätte Gott logischerweise von Jesus verlangen müssen, nicht sich selber zu opfern, sondern sein Kind, weil dies ein viel größeres Opfer zur Erlösung der Menschheit bedeutet hätte. Ich denke in diesem Falle, hätte sich das Christentum ein für allemal erledigt. Hätte Jesus sich geweigert, sein Kind zu opfern, dann hätte er zu Recht seine eigene menschliche Ethik höher gewichtet wie den Gottesgehorsam. Hätte Jesus aber andererseits sein Kind geopfert, dann wäre es kaum noch möglich gewesen, ihn als das Vorbild hochzustilisieren. Vielleicht war deswegen die Kinderlosigkeit von Jesus ganz praktisch. Allerdings bleibt den Christen folgende Frage nicht erspart: "Wie kann Gott in Jesus ganz Mensch werden, wenn er die stärksten menschlichen Gefühlsregungen, nämlich Liebe zu einem Kind und Trauer um ein Kind, von Liebe, Verliebtheit und Sinnlichkeit der erwachsenen Menschen untereinander ganz zu schweigen, ausspart?" Hätten die Katholischen Kleriker die Möglichkeit, eigene Kinder zu haben und zu lieben, würden sie verstehen, dass die Liebe zu einem Menschen keineswegs einer "transzendenten Würde" oder "Gottesebenbildlichkeit" bedarf. Die Mutter liebt ihr Kind, Punkt. Sie muss sich nicht erst einreden, dass ihr Kind das Abbild eines unsichtbaren allmächtigen, allgütigen, allwissenden Gottes ist, um es mit aller Kraft zu lieben. Es erstaunt mich übrigens, dass diese naheliegende Frage so selten, bis gar nicht gestellt, geschweige denn beantwortet wird. Dies mag vielleicht einer der Gründe gewesen sein, warum Scorsese's Spielfim "Die letzte Versuchung", der genau diese Thematik eines Jesus mit eigener Familie aufgriff, derlei Empörung unter den Christen auslöste. Es kann durchaus sein, dass den katholischen Würdenträgern eine grundlegende Debatte um genau diese Frage äußert unangenehm hätte werden können. Ich erinnere mich noch genau daran, wie im Rahmen einer Podiumsdiskussion ich Luc Alt fragte, ob er den Film den überhaupt gesehen hätte. Er darauf wörtlich: "Ich brauch den Film nicht gesehen zu haben. Ich weiß ja schließlich auch, dass Scheiße stinkt, ohne in dieselbe hineingetreten zu sein." Übrigens der besagte Luc Alt organisiert jedes Jahr in Sankt Vith, meiner Heimatstadt, die Bibeltage mit, aus seiner Sicht grandiosem Erfolg.
Dies also nur zur Erinnerung daran, mit welcher Art Gott die monotheistischen Religionen uns moralisch daher kommen wollen. Dies sollte ein wenig den Blick dafür schärfen, wie wenig diesen Religionen das irdische Glück des Menschen am Herzen liegt. Wir sollten äußerst skeptisch sein, wenn Religionsvertreter uns einen derartigen Gott als liebenden Gott schönreden wollen. Wir sollten noch skeptischer sein, wenn Religionsvertreter sich auf einen derartigen Gott berufen, um den Menschen Ratschläge für ein "glückliches" irdisches Dasein, das sie letztendlich als Vorspiel zum ewigen Leben deklassieren, ans Herz zu legen.
Der Pfarrer Willy Kessel, den ich als Religionslehrer sehr schätzte, glaubt allen Ernstes, "Christen seien das Salz der Erde und ihre Aufgabe bestünde darin, den Menschen die Welt schmackhaft zu machen", siehe Grenz-Echo Interview vom 11. Dezember 2008. Das Gegenteil ist der Fall. Dass den Religionen herzlich wenig am diesseitigen Glück des Menschen liegt, erkennt man u.a. daran, wie sie die Thematik Sexualität angehen. Die Sexualfeindlichkeit der Religionen muss ich wohl dem Leser nicht weiter erläutern. Man denke an das Beharren auf der Jungfräulichkeit Maria's, der Zwang zum Zölibat für alle Kleriker, monogame Ehe bis zum Tod, den Ratschlag von Paulus, Single zu bleiben, usw. Eine subtilere Art des ewigen Kampfes der Religionen gegen das diesseitige Glück der Menschen ist der Rahmen, in den die Religionen jegliche zwischenmenschliche und sinnliche Beziehung zwängen wollen: die Ehe. Den jungen Menschen wird seitens der Religion als beglückendste Form der zwischenmenschlichen Beziehung, wenn denn schon der klerikale Zölibat, der natürlich als beglückendste Lebensform gilt, nicht in Frage kommen sollte, die monogame, bis zum Tod gefälligst zu währende Ehe quasi aufgenötigt. Jede andere Form, sei es Ehe ohne Trauschein, Kommune, parallele (mehrere Partner gleichzeitig) oder sequentielle (mehrere Partner nacheinander, sprich Scheidung mit anschließender Wiederverheiratung) Polygamie, Single-Dasein mit wechselnden Partnern, usw. wird als Sünde und Unzucht verteufelt. Die jungen Menschen werden also dazu gedrängt, ihrem Partner die Treue bis zum Tod zu schwören, anders ausgedrückt, sie sollen für den Rest ihres Lebens z.B. darauf verzichten, sich neu zu verlieben, und somit gleichzeitig auf das hiermit verbundene, vielleicht schönste Gefühl, zu dem der Mensch emotional fähig ist. Der bereits oben erwähnte Priester und ehemalige Religionslehrer Willy Kessel scheint sich auch in dieser Thematik nicht wirklich darüber im Klaren zu sein, was er redet. Im gleichen Interview sagt er über das Verhältnis zwischen Gläubigem und Jesus: "Es ist wie in einer Ehe. Es ist nicht gut, wenn Fremde in der Ehe reinreden." Diese Aussage wird jeder seine Ehefrau tyrannisierende Mann gerne aufgreifen und jedem Fremden (sprich Schwiegereltern, Freunde der Ehefrau, ...) der sich anschicken sollte, der Ehefrau den Rücken zu stärken, genüsslich vorhalten. Es ist gerade dieses möglicherweise gut gemeinte Gebot eines Willy Kessel, das viel zu viele Ehefrauen daran hindert, ihr Martyrium rechtzeitig zu beenden, bzw. sich Fremden anzuvertrauen. Ich hoffe der Leser merkt den unsäglichen Zynismus, der darin besteht, die gleiche Handlung, die ich an dieser Stelle Sich anvertrauen nenne, als Reinreden in ein sehr zwielichtiges Licht zu rücken. Was die Sache noch verschlimmert ist der Umstand, dass gerade die in unglücklichen Ehen gestrandeten Menschen dieses "Reinreden", besser gesagt dieses Aussprechen besonders nötig hätten. Warum also genau tut ein ansonsten kluger Mann wie Willy Kessel so etwas? Bei mir keimt der Verdacht auf, dass ihm letztendlich die Aufrechterhaltung einer Ehe um jeden Preis mehr als das individuelle Glück des einzelnen Ehepartners am Herzen liegt. In dieser Haltung verdichtet sich die ganze verheerende und menschenverachtende Wirkung von Religionen. Die Religionsvertreter, sowie die entsprechenden Gläubigen stellen in aller Regel ein Gottesgebot, in diesem Falle "Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen" über das persönliche Glück des Menschen.
Die Religionsvertreter müssten mittlerweile verstanden haben, dass wohl mehr als die Hälfte der Ehen scheitern. Unter Scheitern verstehe ich nicht notwendigerweise die Scheidung, sondern auch, vielleicht sogar insbesondere, die unglücklichen Ehen. Hierbei muss man nun bedenken, dass hier ein Modell erschreckend oft scheitert, obwohl es von Kirche und Gesellschaft mit allen Mitteln und aller „Macht“ gefördert wird. Ich bin überzeugt, würde z.B. die Kommune, also eine Art Gruppenehe, von Gesellschaft und ihren moralischen Autoritäten derart gefördert, wäre sie mit Sicherheit nicht weniger erfolgreich. Ich will jetzt hier keine Abhandlung über bessere Beziehungsmodelle liefern, auch wenn dies dringend erforderlich wäre. Ich will dem Leser lediglich klar machen, dass Religionen nicht nur weltpolitisch kontraproduktiv sind, sondern dem individuellen Glück der meisten Menschen ungemein im Wege stehen. Es hat den Anschein, dass alle Religionen geradezu erpicht darauf sind, die zwischenmenschliche Liebe mit aller Macht kaputtzumachen, damit dem Menschen kein anderer Ausweg bleibt, als eine wie auch immer geartete Gottheit zu lieben.
Jetzt wird wohl so mancher Leser einwenden, dass auch die nicht katholischen Ehen keine bessere Bilanz aufzuweisen haben, dass also die Beziehungsproblematik nicht religiösen Ursprungs ist. An dieser Stelle muss ich Nietzsche (mal wieder) Recht geben, wenn er sagt, dass wir dem Christentum zwei Dinge zu verdanken haben: die Sünde und die Erlösung von derselben, nur dass der Glaube an die Erlösung mittlerweile zurecht zu verschwinden droht, die Sünde aber geblieben ist. Die Ehen scheitern nicht deswegen so häufig, weil die Menschen schlecht wären, sondern weil die klassische monogame und bis zum Tod angelegte Ehe für den Menschen schlecht ist. Sie ist keine „artgerechte“ Haltung für das Lebewesen Mensch. Die Treue bis in den Tod kann in den überwiegenden Fällen nur Dank einer von Religionen tiefeingepflanzten Scham gegenüber Sexualität aufrecht erhalten werden. Nietzsche will sagen, die Religionen haben genau dem Menschen diese Scham, diesen Ekel vor sich selber, mit einem riesigen Aufwand und sehr erfolgreich und nachhaltig eingeimpft. Sie wirkt noch lange nach, auch wenn der Glaube an die Erlösung längst verschwunden ist. Man kann es nicht deutlich genug sagen: Die Religion ist der Todfeind der Liebe. Alle Götter, insbesondere die monotheistischen Götter, blicken voller Neid und Eifersucht auf das, was Menschen für einander empfinden können, sei es nun zwischen Eltern und Kind oder zwischen Erwachsenen. Sie versuchen mit allen Mitteln, dieses Gefühl für sich zu vereinnahmen und meinen, dass dazu als erstes die natürliche Zielrichtung dieses Gefühls erledigt werden muss. Es ist kein Zufall, dass Religionen im Allgemeinen alles Sinnliche, insbesondere Sexuelle, mit aller Gewalt beschmutzen. Das ganze Treuegetue in der Form „bis der Tod Euch scheidet“ hat als letztendlichen Zweck, die natürliche Liebesfähigkeit des Menschen im Keim zu ersticken. Die Erwachsenen dürfen sich ab einem solchen Treueversprechen den anderen Erwachsenen gegenüber nicht mehr „natürlich“ verhalten. Der Erwachsene muss jedes Aufkeimen von Sympathie, sinnlichem Genuss und Begehren, das sich auf andere Menschen, als den Partner richtet, mit aller Macht unterdrücken. Religionen berauben auf diese Weise den Menschen eines Großteils seines Glückspotentials, das ganz einfach in einem ganzheitlichen, nicht mit Scham verdorbenem Umgang mit anderen Menschen entspringen würde.
Es gibt wohl kaum Menschen, die derart häufig das Wort Liebe in den Mund nehmen, als katholische Kleriker, und gleichzeitig ihr ganzes Leben genau diese nicht empfinden wollen, weder zu einem anderen Erwachsenen, noch zu einem Nachkommen. Den Religionen ist es zu verdanken, dass die Mehrzahl der Erwachsenen, insbesondere Männer, einen Großteil ihrer Energie darauf verwenden müssen, ihren Eros, der aufgrund der religiösen Vergiftung zum Laster entartete, wie Nietzsche es vortrefflich formuliert, nieder zu ringen. Dieser Kampf äußert sich u.a. auch in einem unübersehbaren Streben nach materialistischer Ersatzbefriedigung. Weil insbesondere der Ehemann sein Begehren nicht mehr auf die Frau(en) richten darf, lenkt er es notgedrungen um auf einen Ferrari. Ich werde später noch mal auf den Begriff der Geschwisterliebe in einem anderen Zusammenhang zurückkommen, aber bereits jetzt könnte man getrost den Verdacht äußern, dass insbesondere das Christentum, mit seinem ständigen Gerede von "Brüdern und Schwestern" die menschliche Erotik zerschlagen will. Die gesunde und beglückende Sinnlichkeit wird als Unzucht betitelt, ja man könnte fast sagen, das Christentum betrachtet jede sexuelle Aktivität zwischen den geschwisterlichen Gläubigen als eine Art verdammungswürdiger Inzest. Menschen, die zum selben Vater aufblicken, haben nun mal keinen Sex miteinander zu haben. Hinzu kommt, dass das Christentum den Menschen im infantilen, unerwachsenen Zustand belassen will, wie wir später hier noch erörtern werden, und somit käme zum anrüchigen Inzest noch die anrüchige Pädophilie hinzu: (Gottes)Kinder haben keinen Sex. Die Idealvorstellung eines Christenmenschen ist ein kindlich gebliebener Erwachsener, der zum Gottvater aufblickt und die anderen erwachsenen Menschen als unerotisierende Geschwister betrachtet. Was für eine Reduzierung des Menschen!
Eine kleine persönliche Geschichte unterstreicht meine Überzeugung, dass Religionen dem Menschen das Leben unnötig schwer machen können. Mein Vater war ein streng katholischer Gläubiger und liebte seine Kinder zweifellos. Trotzdem spendete er das gesamte von meiner Mutter mühsam über Jahre für eine moderne Waschmaschine gesparte Geld im Rahmen einer Sammlung im Dorf für den Kauf einer neuen Glocke für die Dorfkirche. Dass unsere bescheidenen finanziellen Verhältnisse, über die der Pfarrer im Bilde war, ihn, den Pfarrer nicht daran hinderten, das Geld anzunehmen, ist der eigentliche Skandal. Er wusste, dass wir 14 Kinder waren und noch keine Waschmaschine hatten. Die gesamte Wäsche wurde in einem mit Holz beheizten Bottich mit elektrisch betriebenem Mischer hin- und hergerührt. Anschließend musste jedes einzelne Stück auf der Hand ausgewrungen werden, bevor die Wäsche in eine separate Schleuder umgefüllt wurde. Ich will meinem Vater an dieser Stelle keinerlei Vorwurf machen. Er hat im guten Glauben gehandelt, bzw. seine vermeintliche Pflicht erfüllt. Hier trifft genau die Aussage von Steven Weinberg zu, wenn er behauptet: “Damit ein guter Mensch Böses tut, bedarf es der Religion.“ Mein Vater, der mit Sicherheit ein guter Mensch war, tat Böses, indem er das für die Waschmaschine gesparte Geld einem anderen, religiösen und weit weniger dringlichen Zweck, zuführte. Die Zeche zahlten meine Mutter und meine älteren Schwestern die weiterhin jahrelang nicht in den Genuss der Arbeitserleichterung dank einer vollautomatischen Waschmaschine gelangten.
Man kann es nicht laut genug sagen: Religionen sind nicht daran interessiert, dass der Mensch ein glückliches Leben führt, sondern sie beharren darauf, dass der Mensch gefälligst ein gottgefälliges Leben zu führen hat. Natürlich bemühen sich die Relgionsvertreter dem Menschen die Gottgefälligkeit als das höchstmögliche Glück zu suggerieren, aber Gottgefälligkeit ist mitnichten Synonym für persönliches Glück.
Eigentlich schade, dass Jesus keine Tochter oder Sohn hatte. Dann hätte Gott logischerweise von Jesus verlangen müssen, nicht sich selber zu opfern, sondern sein Kind, weil dies ein viel größeres Opfer zur Erlösung der Menschheit bedeutet hätte. Ich denke in diesem Falle, hätte sich das Christentum ein für allemal erledigt. Hätte Jesus sich geweigert, sein Kind zu opfern, dann hätte er zu Recht seine eigene menschliche Ethik höher gewichtet wie den Gottesgehorsam. Hätte Jesus aber andererseits sein Kind geopfert, dann wäre es kaum noch möglich gewesen, ihn als das Vorbild hochzustilisieren. Vielleicht war deswegen die Kinderlosigkeit von Jesus ganz praktisch. Allerdings bleibt den Christen folgende Frage nicht erspart: "Wie kann Gott in Jesus ganz Mensch werden, wenn er die stärksten menschlichen Gefühlsregungen, nämlich Liebe zu einem Kind und Trauer um ein Kind, von Liebe, Verliebtheit und Sinnlichkeit der erwachsenen Menschen untereinander ganz zu schweigen, ausspart?" Hätten die Katholischen Kleriker die Möglichkeit, eigene Kinder zu haben und zu lieben, würden sie verstehen, dass die Liebe zu einem Menschen keineswegs einer "transzendenten Würde" oder "Gottesebenbildlichkeit" bedarf. Die Mutter liebt ihr Kind, Punkt. Sie muss sich nicht erst einreden, dass ihr Kind das Abbild eines unsichtbaren allmächtigen, allgütigen, allwissenden Gottes ist, um es mit aller Kraft zu lieben. Es erstaunt mich übrigens, dass diese naheliegende Frage so selten, bis gar nicht gestellt, geschweige denn beantwortet wird. Dies mag vielleicht einer der Gründe gewesen sein, warum Scorsese's Spielfim "Die letzte Versuchung", der genau diese Thematik eines Jesus mit eigener Familie aufgriff, derlei Empörung unter den Christen auslöste. Es kann durchaus sein, dass den katholischen Würdenträgern eine grundlegende Debatte um genau diese Frage äußert unangenehm hätte werden können. Ich erinnere mich noch genau daran, wie im Rahmen einer Podiumsdiskussion ich Luc Alt fragte, ob er den Film den überhaupt gesehen hätte. Er darauf wörtlich: "Ich brauch den Film nicht gesehen zu haben. Ich weiß ja schließlich auch, dass Scheiße stinkt, ohne in dieselbe hineingetreten zu sein." Übrigens der besagte Luc Alt organisiert jedes Jahr in Sankt Vith, meiner Heimatstadt, die Bibeltage mit, aus seiner Sicht grandiosem Erfolg.
Dies also nur zur Erinnerung daran, mit welcher Art Gott die monotheistischen Religionen uns moralisch daher kommen wollen. Dies sollte ein wenig den Blick dafür schärfen, wie wenig diesen Religionen das irdische Glück des Menschen am Herzen liegt. Wir sollten äußerst skeptisch sein, wenn Religionsvertreter uns einen derartigen Gott als liebenden Gott schönreden wollen. Wir sollten noch skeptischer sein, wenn Religionsvertreter sich auf einen derartigen Gott berufen, um den Menschen Ratschläge für ein "glückliches" irdisches Dasein, das sie letztendlich als Vorspiel zum ewigen Leben deklassieren, ans Herz zu legen.
Der Pfarrer Willy Kessel, den ich als Religionslehrer sehr schätzte, glaubt allen Ernstes, "Christen seien das Salz der Erde und ihre Aufgabe bestünde darin, den Menschen die Welt schmackhaft zu machen", siehe Grenz-Echo Interview vom 11. Dezember 2008. Das Gegenteil ist der Fall. Dass den Religionen herzlich wenig am diesseitigen Glück des Menschen liegt, erkennt man u.a. daran, wie sie die Thematik Sexualität angehen. Die Sexualfeindlichkeit der Religionen muss ich wohl dem Leser nicht weiter erläutern. Man denke an das Beharren auf der Jungfräulichkeit Maria's, der Zwang zum Zölibat für alle Kleriker, monogame Ehe bis zum Tod, den Ratschlag von Paulus, Single zu bleiben, usw. Eine subtilere Art des ewigen Kampfes der Religionen gegen das diesseitige Glück der Menschen ist der Rahmen, in den die Religionen jegliche zwischenmenschliche und sinnliche Beziehung zwängen wollen: die Ehe. Den jungen Menschen wird seitens der Religion als beglückendste Form der zwischenmenschlichen Beziehung, wenn denn schon der klerikale Zölibat, der natürlich als beglückendste Lebensform gilt, nicht in Frage kommen sollte, die monogame, bis zum Tod gefälligst zu währende Ehe quasi aufgenötigt. Jede andere Form, sei es Ehe ohne Trauschein, Kommune, parallele (mehrere Partner gleichzeitig) oder sequentielle (mehrere Partner nacheinander, sprich Scheidung mit anschließender Wiederverheiratung) Polygamie, Single-Dasein mit wechselnden Partnern, usw. wird als Sünde und Unzucht verteufelt. Die jungen Menschen werden also dazu gedrängt, ihrem Partner die Treue bis zum Tod zu schwören, anders ausgedrückt, sie sollen für den Rest ihres Lebens z.B. darauf verzichten, sich neu zu verlieben, und somit gleichzeitig auf das hiermit verbundene, vielleicht schönste Gefühl, zu dem der Mensch emotional fähig ist. Der bereits oben erwähnte Priester und ehemalige Religionslehrer Willy Kessel scheint sich auch in dieser Thematik nicht wirklich darüber im Klaren zu sein, was er redet. Im gleichen Interview sagt er über das Verhältnis zwischen Gläubigem und Jesus: "Es ist wie in einer Ehe. Es ist nicht gut, wenn Fremde in der Ehe reinreden." Diese Aussage wird jeder seine Ehefrau tyrannisierende Mann gerne aufgreifen und jedem Fremden (sprich Schwiegereltern, Freunde der Ehefrau, ...) der sich anschicken sollte, der Ehefrau den Rücken zu stärken, genüsslich vorhalten. Es ist gerade dieses möglicherweise gut gemeinte Gebot eines Willy Kessel, das viel zu viele Ehefrauen daran hindert, ihr Martyrium rechtzeitig zu beenden, bzw. sich Fremden anzuvertrauen. Ich hoffe der Leser merkt den unsäglichen Zynismus, der darin besteht, die gleiche Handlung, die ich an dieser Stelle Sich anvertrauen nenne, als Reinreden in ein sehr zwielichtiges Licht zu rücken. Was die Sache noch verschlimmert ist der Umstand, dass gerade die in unglücklichen Ehen gestrandeten Menschen dieses "Reinreden", besser gesagt dieses Aussprechen besonders nötig hätten. Warum also genau tut ein ansonsten kluger Mann wie Willy Kessel so etwas? Bei mir keimt der Verdacht auf, dass ihm letztendlich die Aufrechterhaltung einer Ehe um jeden Preis mehr als das individuelle Glück des einzelnen Ehepartners am Herzen liegt. In dieser Haltung verdichtet sich die ganze verheerende und menschenverachtende Wirkung von Religionen. Die Religionsvertreter, sowie die entsprechenden Gläubigen stellen in aller Regel ein Gottesgebot, in diesem Falle "Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen" über das persönliche Glück des Menschen.
Die Religionsvertreter müssten mittlerweile verstanden haben, dass wohl mehr als die Hälfte der Ehen scheitern. Unter Scheitern verstehe ich nicht notwendigerweise die Scheidung, sondern auch, vielleicht sogar insbesondere, die unglücklichen Ehen. Hierbei muss man nun bedenken, dass hier ein Modell erschreckend oft scheitert, obwohl es von Kirche und Gesellschaft mit allen Mitteln und aller „Macht“ gefördert wird. Ich bin überzeugt, würde z.B. die Kommune, also eine Art Gruppenehe, von Gesellschaft und ihren moralischen Autoritäten derart gefördert, wäre sie mit Sicherheit nicht weniger erfolgreich. Ich will jetzt hier keine Abhandlung über bessere Beziehungsmodelle liefern, auch wenn dies dringend erforderlich wäre. Ich will dem Leser lediglich klar machen, dass Religionen nicht nur weltpolitisch kontraproduktiv sind, sondern dem individuellen Glück der meisten Menschen ungemein im Wege stehen. Es hat den Anschein, dass alle Religionen geradezu erpicht darauf sind, die zwischenmenschliche Liebe mit aller Macht kaputtzumachen, damit dem Menschen kein anderer Ausweg bleibt, als eine wie auch immer geartete Gottheit zu lieben.
Jetzt wird wohl so mancher Leser einwenden, dass auch die nicht katholischen Ehen keine bessere Bilanz aufzuweisen haben, dass also die Beziehungsproblematik nicht religiösen Ursprungs ist. An dieser Stelle muss ich Nietzsche (mal wieder) Recht geben, wenn er sagt, dass wir dem Christentum zwei Dinge zu verdanken haben: die Sünde und die Erlösung von derselben, nur dass der Glaube an die Erlösung mittlerweile zurecht zu verschwinden droht, die Sünde aber geblieben ist. Die Ehen scheitern nicht deswegen so häufig, weil die Menschen schlecht wären, sondern weil die klassische monogame und bis zum Tod angelegte Ehe für den Menschen schlecht ist. Sie ist keine „artgerechte“ Haltung für das Lebewesen Mensch. Die Treue bis in den Tod kann in den überwiegenden Fällen nur Dank einer von Religionen tiefeingepflanzten Scham gegenüber Sexualität aufrecht erhalten werden. Nietzsche will sagen, die Religionen haben genau dem Menschen diese Scham, diesen Ekel vor sich selber, mit einem riesigen Aufwand und sehr erfolgreich und nachhaltig eingeimpft. Sie wirkt noch lange nach, auch wenn der Glaube an die Erlösung längst verschwunden ist. Man kann es nicht deutlich genug sagen: Die Religion ist der Todfeind der Liebe. Alle Götter, insbesondere die monotheistischen Götter, blicken voller Neid und Eifersucht auf das, was Menschen für einander empfinden können, sei es nun zwischen Eltern und Kind oder zwischen Erwachsenen. Sie versuchen mit allen Mitteln, dieses Gefühl für sich zu vereinnahmen und meinen, dass dazu als erstes die natürliche Zielrichtung dieses Gefühls erledigt werden muss. Es ist kein Zufall, dass Religionen im Allgemeinen alles Sinnliche, insbesondere Sexuelle, mit aller Gewalt beschmutzen. Das ganze Treuegetue in der Form „bis der Tod Euch scheidet“ hat als letztendlichen Zweck, die natürliche Liebesfähigkeit des Menschen im Keim zu ersticken. Die Erwachsenen dürfen sich ab einem solchen Treueversprechen den anderen Erwachsenen gegenüber nicht mehr „natürlich“ verhalten. Der Erwachsene muss jedes Aufkeimen von Sympathie, sinnlichem Genuss und Begehren, das sich auf andere Menschen, als den Partner richtet, mit aller Macht unterdrücken. Religionen berauben auf diese Weise den Menschen eines Großteils seines Glückspotentials, das ganz einfach in einem ganzheitlichen, nicht mit Scham verdorbenem Umgang mit anderen Menschen entspringen würde.
Es gibt wohl kaum Menschen, die derart häufig das Wort Liebe in den Mund nehmen, als katholische Kleriker, und gleichzeitig ihr ganzes Leben genau diese nicht empfinden wollen, weder zu einem anderen Erwachsenen, noch zu einem Nachkommen. Den Religionen ist es zu verdanken, dass die Mehrzahl der Erwachsenen, insbesondere Männer, einen Großteil ihrer Energie darauf verwenden müssen, ihren Eros, der aufgrund der religiösen Vergiftung zum Laster entartete, wie Nietzsche es vortrefflich formuliert, nieder zu ringen. Dieser Kampf äußert sich u.a. auch in einem unübersehbaren Streben nach materialistischer Ersatzbefriedigung. Weil insbesondere der Ehemann sein Begehren nicht mehr auf die Frau(en) richten darf, lenkt er es notgedrungen um auf einen Ferrari. Ich werde später noch mal auf den Begriff der Geschwisterliebe in einem anderen Zusammenhang zurückkommen, aber bereits jetzt könnte man getrost den Verdacht äußern, dass insbesondere das Christentum, mit seinem ständigen Gerede von "Brüdern und Schwestern" die menschliche Erotik zerschlagen will. Die gesunde und beglückende Sinnlichkeit wird als Unzucht betitelt, ja man könnte fast sagen, das Christentum betrachtet jede sexuelle Aktivität zwischen den geschwisterlichen Gläubigen als eine Art verdammungswürdiger Inzest. Menschen, die zum selben Vater aufblicken, haben nun mal keinen Sex miteinander zu haben. Hinzu kommt, dass das Christentum den Menschen im infantilen, unerwachsenen Zustand belassen will, wie wir später hier noch erörtern werden, und somit käme zum anrüchigen Inzest noch die anrüchige Pädophilie hinzu: (Gottes)Kinder haben keinen Sex. Die Idealvorstellung eines Christenmenschen ist ein kindlich gebliebener Erwachsener, der zum Gottvater aufblickt und die anderen erwachsenen Menschen als unerotisierende Geschwister betrachtet. Was für eine Reduzierung des Menschen!
Eine kleine persönliche Geschichte unterstreicht meine Überzeugung, dass Religionen dem Menschen das Leben unnötig schwer machen können. Mein Vater war ein streng katholischer Gläubiger und liebte seine Kinder zweifellos. Trotzdem spendete er das gesamte von meiner Mutter mühsam über Jahre für eine moderne Waschmaschine gesparte Geld im Rahmen einer Sammlung im Dorf für den Kauf einer neuen Glocke für die Dorfkirche. Dass unsere bescheidenen finanziellen Verhältnisse, über die der Pfarrer im Bilde war, ihn, den Pfarrer nicht daran hinderten, das Geld anzunehmen, ist der eigentliche Skandal. Er wusste, dass wir 14 Kinder waren und noch keine Waschmaschine hatten. Die gesamte Wäsche wurde in einem mit Holz beheizten Bottich mit elektrisch betriebenem Mischer hin- und hergerührt. Anschließend musste jedes einzelne Stück auf der Hand ausgewrungen werden, bevor die Wäsche in eine separate Schleuder umgefüllt wurde. Ich will meinem Vater an dieser Stelle keinerlei Vorwurf machen. Er hat im guten Glauben gehandelt, bzw. seine vermeintliche Pflicht erfüllt. Hier trifft genau die Aussage von Steven Weinberg zu, wenn er behauptet: “Damit ein guter Mensch Böses tut, bedarf es der Religion.“ Mein Vater, der mit Sicherheit ein guter Mensch war, tat Böses, indem er das für die Waschmaschine gesparte Geld einem anderen, religiösen und weit weniger dringlichen Zweck, zuführte. Die Zeche zahlten meine Mutter und meine älteren Schwestern die weiterhin jahrelang nicht in den Genuss der Arbeitserleichterung dank einer vollautomatischen Waschmaschine gelangten.
Man kann es nicht laut genug sagen: Religionen sind nicht daran interessiert, dass der Mensch ein glückliches Leben führt, sondern sie beharren darauf, dass der Mensch gefälligst ein gottgefälliges Leben zu führen hat. Natürlich bemühen sich die Relgionsvertreter dem Menschen die Gottgefälligkeit als das höchstmögliche Glück zu suggerieren, aber Gottgefälligkeit ist mitnichten Synonym für persönliches Glück.
Gerhard Schmitz, St.Vith.
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