Als ich von der ewig lebenden Qualle las, stellte sich mir die Frage, wie es wohl wäre, wenn der Mensch ewig leben würde. Ein erstes Ergebnis wäre wohl, dass dieser ewig lebende Mensch weder Religion, noch Gott benötigen würde. Zum Einen entfällt die Angst vor dem Tod, dem Ungewissen, eine Angst, die nach Beruhigung und Tröstung verlangt und zum Anderen würde der nicht sterbende Mensch den „geglaubten“ Gott niemals begegnen, weil alle großen Religionen ja dieses Zusammentreffen von Mensch und Gott ausdrücklich in die Zeit nach dem Tod postulieren. Nun werden die Gläubigen einwenden, dass der Mensch sich diesen Traum, den oben erwähnte Qualle möglicherweise leben darf, auch wenn die Wissenschaft noch so große Fortschritte machen sollte, abschminken kann. Gut, die Wissenschaft ist möglicherweise auch in naher und ferner Zukunft nicht in der Lage, dem Menschen diesen Traum zu erfüllen. Aber aus Sicht des Gläubigen gäbe es ja schon jemanden, der mächtiger als alle Wissenschaft ist, und der dem Menschen offensichtlich das verwehrt, was er der Qualle möglicherweise gönnt: das ewige Leben im Diesseits. Und dieser jemand ist kein anderer als der geglaubte allmächtige Gott. Also stellt sich die Frage: Warum tut dieser Gott so was? Antwort: Damit er gebraucht wird. Kann man sich einen grausameren Gott vorstellen, der dem Menschen den Tod wünscht, bloß damit dieser totgeweihte Mensch ihn braucht, ihn als „Retter“, „Hoffnungsträger“, „Angstbeseitiger“ braucht und verehrt?
Nun wird der Gläubige einwenden, dass er ja ein ewiges irdisches Leben gar nicht wünschenswert fände. Aber das denkt der Gläubige auch nur deswegen, weil er ja von einem besseren „nächsten“ Leben ausgeht. Es ist ein wenig vergleichbar mit dem Frittenbudenkunden, der sich wegen der langen Kundenschlange und der sich daraus ergebenden Gefahr, dass die Fritten ausgehen, noch bevor er dran kommt, keinerlei Sorgen macht, weil er „glaubt“, dass das Restaurant auf der gegenüberliegende Straßenseite in 10 Minuten öffnen wird. Er findet sogar die anderen Frittenbudengäste ein wenig albern, die ihre gerade ergatterte Bratwurst in vollen Zügen genießen. Von diesem angeblichen Restaurant hat er übrigens nur gehört, denn sehen kann man es nicht, weil eine hohe Betonwand den Blick auf die andere Straßenseite komplett versperrt. Des Weiteren scheint niemand der Anwesenden, nicht einmal der Frittenbudenbesitzer aus der Gegend zu sein und über das vermeintliche Restaurant genau Bescheid zu wissen. Und tatsächlich: dieses vermeintliche Restaurant ist in Wahrheit eine Mülldeponie. Dass niemand Genauers weiß, mag nun was Gutes haben, nämlich, dass dieser „gläubige“ Kunde irgendwie gelassen wirkt, während die anderen sich wirklich Sorgen machen, sie könnten keine Bratwurst mehr bekommen. Stimmt, nur haben Letztere den Vorteil, dass sie sich wirklich ihrer Bratwurst erfreuen, im Gegensatz zum „gläubigen“ Kunden, der, sollte er seine Bratwurst trotz Schlange noch bekommen, diese nicht wirklich zu schätzen wissen wird, weil ihm ja das Steak im vermeintlichen Restaurant erstrebenswerter erscheint. Und das ist die Krux der Gläubigen. Ständig reden sie die Bratwurst schlecht und halten ihr das Steak entgegen, bekommen aber letztendlich ein (irdisches) Leben lang nichts besseres, als Bratwurst. Und dieses sich nicht an die Bratwurst freuen können, macht aus den Gläubigen irgendwie „leidenschaftslose“ Bratwurstesser.
Der „gläubige“ Kunde ist nun für diese Betonwand durchaus dankbar. Er braucht sie förmlich, denn ohne sie wäre sein „Glaube“ nur noch peinlich und er hätte selber sehen können, dass er sich irrt. Es gibt noch einen zweiten Grund, wofür der Gläubige diese Betonwand braucht. Ohne sie würde er wohl gar nicht „ruhigen Gewissens“ an der Frittenbude anstehen. Die anderen Gäste würden ihn ob seiner Geringschätzung der Bratwurst verständnislos anschauen und ihm den sofortigen Gang zum Restaurant ans Herz legen. Aber dank der Betonwand, kann er einen lästigen Umweg, oder sonst was als Grund dafür anführen, dass er sich vorerst mit einer Bratwurst zufrieden gibt.
Die Betonwand steht für den Tod. Der Gläubige braucht diese Sichtsperre, die übrigens auch den Ungläubigen die Sicht auf die Mülldeponie versperrt, um seinen Glauben, sprich seine Hoffnung aufrecht erhalten zu können. Und genauso braucht die Religion den Tod, die unüberwindbare Sichtsperre auf das „dahinter“, damit der Gläubige überhaupt an das unbekannte Dahinter „glauben“ kann. Ohne Tod kann sich Gott nicht verstecken, bzw. würde niemand ihn suchen. Der Tod ist das Versteck Gottes. Folge: Ohne Tod keine Religion, oder andersherum die Religion braucht den Tod. Der Tod ist der beste Verbündete von Gott.
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