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GerhardSchmitz

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Hier darf Klartext zu diversen Themen gesprochen werden, gegebenenfalls ohne Rücksicht auf "religiöse Gefühle" (was auch immer das sein mag).

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Ein Himmel voller Greise... (Teil 6)

...oder wie der zu Ende gedachte Himmel zum Albtraum wird.

Zu Teil 5

Im vorigen Kapitel habe ich versucht dem Ursprung des Lebens die Notwendigkeit zu rauben, dass ein göttlicher Planer zwingend erforderlich sei, weil Religionen eben diesen Ursprung als Anlass nehmen, die Existenz Gottes nicht bloß zu erwägen, sondern als zwingend notwendig zu erachten.

Ich finde eine andere Frage mindestens genau so interessant und vielleicht leichter zu beantworten, als diejenige nach dem Ursprung des Lebens oder des Universums. Erstaunlicherweise beschäftigen sich die Religionsvertreter, geschweige denn die Gläubigen, herzlich wenig mit dieser Frage, die lautet: "Wie entsteht ein religiöser Glaube?" Die Anfänge der drei großen monotheistischen Religionen liegen Jahrtausende zurück, was eine Beschreibung schwieriger macht. Ein weiterer Grund, die Anfänge von Glauben nicht anhand der Entstehung des Judentums, Christentums oder des Islam zu beschreiben, ist Folgender: Die Glaubensinhalte dieser Religionen haben sich über viele Generationen ins Bewusstsein der Gläubigen eingegraben. Werden diese Glaubensinhalte in Frage gestellt, so wird der Gläubige, ob er es will oder nicht, in die Defensive gehen und seine Vernunft hat nicht mehr die Möglichkeit, einen Vorgang rational und objektiv zu analysieren. Zu viele innere Widerstände verhindern eine sachliche Analyse.

Ich werde deswegen im Folgenden die Geschichte der Marienerscheinungen in Banneux als Beispiel heranziehen, um insbesondere dem gläubigen Leser, der allerdings idealerweise nicht gleichzeitig ein Banneux-Gläubiger ist, ein Gefühl dafür zu geben, auf welche banale Art und Weise Glauben entsteht, beziehungsweise gemacht wird. Ich wende mich hier also vorrangig an Gläubige, die (noch) nicht an die Erscheinungen von Banneux glauben, weil Banneux-Gläubige sich selber, wie oben gesehen, sehr schwer tun, das von ihnen Geglaubte nüchtern zu analysieren.

Die historischen Fakten lassen sich folgendermaßen zusammenfassen. Zunächst erschien in Beauraing, ein Ort in der Nachbarprovinz von Banneux, angeblich die Mutter Gottes fünf Kindern sage und schreibe 33 Mal zwischen Ende November 1932 und Anfang Januar 1933. Mitte Januar 1933 erscheint nun die Mutter Gottes angeblich dem elfjährigen Mädchen, Mariette Beco aus Banneux, zum ersten Mal. Die achte und letzte Erscheinung soll am 2. März 1933 gewesen sein. Dabei ist interessant, dass, abgesehen von der ersten und kürzesten Erscheinung, wo Mariette aus einem hellen Wohnzimmer heraus durch das Fenster die Silhouette einer Frau in der dunklen Nacht zu erkennen glaubte, alle Erscheinungen stattfanden, nachdem Mariette gegen 7 Uhr abends, bei völliger Dunkelheit und z.T. extremer Kälte oder starkem Regen kniend mehrere Gesetze des Rosenkranzes gebetet hatte. Im Rahmen dieser acht Erscheinungen gibt sich die Mutter Gottes ziemlich wortkarg. Alles was sie laut Mariettes Angaben gesagt haben soll, sind folgende 12 Zeilen (Quelle: http://www.banneux-nd.be/d/apparitionsd.htm):

"Tauche deine Hände in das Wasser.
Diese Quelle ist mir vorbehalten. Guten Abend. Auf Wiedersehen.
Ich bin die Jungfrau der Armen
Diese Quelle ist für alle Nationen. Für die Kranken.
Ich werde für dich beten. Auf Wiedersehen.
Ich wünsche eine kleine Kapelle.
Ich komme, das Leiden zu lindern.
Glaubt an mich, ich werde an euch glauben!
Betet viel. Auf Wiedersehen !
Mein liebes Kind, betet viel.
Ich bin die Mutter des Erlösers Mutter Gottes. Betet viel.
Adieu."


Der Leser sollte wissen, dass im Rahmen der obenerwähnten, etliche Wochen vorher angeblich stattgefundenen 33 Beauraing-Erscheinungen die gesammelten Verlautbarungen der Erscheinenden ebenfalls dürftig ausfallen und inhaltlich durchaus dem in Banneux Gesagten vorgreifen. Hier die Beauraing-Mitteilungen (Quelle: http://beauraing.catho.be/fr/fr_420_recit.html)

"Ihr sollt brav sein (D'être bien sages).
Werdet Ihr auch bestimmt immer brav sein? (Est-il bien vrai que vous serez toujours sages ?)
Eine Kapelle. (Une chapelle)
Ich bin die unbefleckte Jungfrau (Je suis la Vierge Immaculée)
Damit man hierher pilgert (Pour qu'on vienne ici en pèlerinage !)
Betet, betet viel (Priez, priez beaucoup)
Betet immer (Priez toujours)
Ich werde die Sünder bekehren (Je convertirai les pécheurs)
Ich bin die Mutter Gottes, die Königin des Himmels (Je suis la Mère de Dieu, la Reine des cieux)
Liebt Ihr meinen Sohn? Liebt Ihr mich? (Aimez-vous mon Fils ? M'aimez-vous ?)
Dann opfert Euch für mich (Alors, sacrifiez-vous, pour moi.)
Auf Wiedersehen (Adieu)"


Ich habe die französischen Orginaltexte in Klammern angefügt, weil die deutsche Übersetzung meine eigene ist und somit keinerlei offiziellen Charakter hat.

Des Weiteren wird überhaupt kein Geheimnis daraus gemacht, dass anwesende erwachsene Zeugen von der Erscheinenden weder etwas sahen noch die oben erwähnten Mitteilungen der Erscheinenden hörten. Sie sahen letztendlich ein auf den Knien betendes halluzinierendes Mädchen. Das war's. Die Zeugen bezeugen also, dass dort keineswegs eine hellstrahlende Person zwischen den Baumwipfeln zunächst auf Mariette zuschwebte und sich dann genauso wieder davon machte. Es ist auch nicht unwichtig darauf hinzuweisen, dass Mariette die Älteste von sieben Kindern war und viele Mutterpflichten übernehmen musste, weil ihre Mutter kränklich war, während der ein Jahr jüngere Bruder sich den ganzen Tag herumtreiben durfte. Des Weiteren sollte der Leser wissen, dass der Dorfpfarrer von Banneux, Abbé Jamin, angesichts der Vorkommnisse in Beauraing von einem "spirituellen Schock", der seine Gemeinde zur Frömmigkeit zurückfinden lassen sollte, träumte. Er hatte sogar eine Novene, ein Art neuntägiges Gebet, ins Leben gerufen, um endlich ein Zeichen, z.B. eine Bekehrung eines Ungläubigen, zu erhalten. Das Ende vom Lied ist, dass sowohl die Beauraing- als auch die Banneux-Erscheinungen im Jahre 1949 von den zuständigen Bischöfen für echt erklärt wurden. Der für die Banneux-Erscheinungen zuständige Bischof Kerkhofs rief sogar zum Gebet auf, indem er eine Novenenoffensive startete und persönlich um die zehn Klöster anschrieb und bat, für ihn zu beten, damit die letzten Zweifel an der Echtheit, die er hegte, ausgeräumt würden. Also sechzehn Jahre nachdenken und prüfen reichten nicht aus, den Bischof zu überzeugen. Er schien mächtig unter Druck zu stehen, warum sonst hätte er derart massiv zum Gebet aufgerufen. Das muss man sich mal konkret vorstellen. Gott schickt Maria zunächst 33 Mal nach Beauraing und kurz darauf 8 Mal nach Banneux, um in den Köpfen von Kindern, denn auch in Beauraing haben anwesende Erwachsene die Schilderungen der Kinder mitnichten bestätigen können, herum zu spuken. Und nun soll der gleiche Gott Kraft des Gebets den Zweifel der alles entscheidenden Person in Gewissheit verwandeln. Nebenbei gefragt, wie hätte Bischof Kerkhofs jetzt die Echtheitserklärung auch verweigern können, ohne die von ihm zum Beten Ermunterten vor den Kopf zu stoßen. Heute pilgern jedes Jahr Tausende nach Banneux. Sogar Papst Johannes Paul II. war schon da und kniete nieder. Soweit die Fakten.

Nun versuchen wir mal, das Ganze nüchtern zu analysieren. Wenn es um die Echtheit von angeblichen Wundern geht, hat der schottische Philosoph David Hume schon 1748 ein stichhaltiges Kriterium für deren Bezeugungen ersonnen. Er schlug vor, "...dass kein Zeugnis ausreicht, ein Wunder festzustellen; es müsste denn das Zeugnis der Art sein, dass seine Falschheit wunderbarer wäre, als die Tatsache, welche es bekundet."

Legt man dieses Kriterium für die Aussagekraft des Zeugnisses im Falle des Banneux-Wunders zu Grunde, müsste die Falschheit der Aussage von Mariette, die in unserem Falle das einzige Zeugnis für die wunderbaren Erscheinungen darstellt, wunderbarer sein, als die Erscheinungen selber. Die Falschheit des Zeugnisses, welche durch simple Lüge oder simple Halluzination von Mariette begründet wäre, muss also wunderbarer, sprich übernatürlicher sein, als der Auftritt der Mutter Gottes, 2000 Jahre nach ihrem Ableben. Und damit keine Ungenauigkeiten aufkommen, es handelt sich nicht lediglich um den sicht- und hörbaren (zumindest für Mariette) Geist einer vor rund 2000 Jahren verstorbenen Person, nein, es handelt sich um den Geist einer Person, die die Mutter von Gott ist, demjenigen also, der ewig besteht, allmächtig, allgütig und allwissend ist, der das gesamte Universum mitsamt der Erde und all darauf wohnender Lebensformen erschaffen hat. Klammer auf! Wenn man schon Erscheinungen überhaupt in Erwägung zieht, könnte das, was Mariette sah, ja genau so gut irgendeine vom Teufel gesandte Fee gewesen sein, die sich als die Mutter Gottes ausgab, nur um die Menschen an der Nase herumzuführen. Der Außenstehende muss also nicht nur Mariette, sondern auch der Erschienen Glauben schenken. Klammer zu! Kurzum, diese Erscheinung der authentischen Mutter Gottes muss also letztendlich plausibler sein, als die Lüge oder Halluzination eines elfjährigen Mädchens. Erst wenn das der Fall wäre, würde David Hume, und nicht nur er, die Aussage von Mariette als Zeugnis für ein Wunder in Betracht ziehen.

Das wesentlichste Element der "Beweisführung" der bischöflichen Kommission, dem auch der heutige Bischof von Lüttich, Aloys Jousten, die entscheidendste Beweiskraft einräumt, ist die Unbedarftheit, um nicht zu sagen, die Blödheit, der elfjährigen Mariette. Sie hätte sich all das niemals ausdenken können. Ich denke, da unterschätzen die Herrschaften aber die Fähigkeiten eines normalen elfjährigen Kindes gehörig. Die bischöfliche Kommission tut diesem Mädchen möglicherweise sehr unrecht.

Ich erinnere mich noch ziemlich genau an die Zeit, in der ich Messdiener war. Wir, alle Messdiener und Vorbeterinnen - in den siebziger Jahren durften nur Jungs Messdiener werden, die Mädchen konnten aber Vorbeterinnen sein - machten einen Ausflug. Auf der Rückfahrt legte ich mich quer auf die Rückbank des Busses und wollte schlafen. Ich höre noch genau wie die anderen das bemerken und sagen: "Schaut, Gerhard schläft." Ich genoss diese Aufmerksamkeit und zögerte nicht, daraus Kapital zu schlagen. Ich tat so, als ob ich im Schlaf reden würde. Das Ergebnis gab mir recht. Es dauert keine fünf Minuten und die anderen drängten sich zwischen Rückbank und davor stehender Sitzreihe, um dem Schauspiel beizuwohnen. Ich ersann meine Traumverlautbarungen so, dass alle denken mussten, ich sei auf einem Flussdampfer. Die anderen Kinder fingen an, mich zu kitzeln. Ich reagierte prompt "im Schlaf" und verscheuchte angeblich lästige Mücken. Ich muss in etwa im Alter von Mariette gewesen sein. Ich glaube ich habe bis heute das mit Sicherheit eine halbe Stunde andauernde Schauspiel, das nicht nur mir sehr gut gefiel, sondern offensichtlich auch den "Betrogenen" einen Heidenspaß bescherte, nicht aufgeklärt. Mein Vergnügen hatte noch einen besonderen Reiz, weil eine der oben erwähnten Vorbeterinnen schon seit mehreren Wochen ohnehin einen leicht erhöhten Pulsschlag bei mir auslöste. Ich vermute, hätte ich die anderen Kinder auf der Heimfahrt aufgeklärt, sie wären nicht nur verärgert gewesen, sondern hätten es vielleicht gar nicht wahrhaben wollen. Wer gesteht schon gerne, einer Scharlatanerie aufgesessen zu sein. Ich will damit sagen, dass man doch ein elfjähriges Kind nicht unterschätzen und das Vorgaukeln einer Marienerscheinung durchaus im Bereich des Möglichen ansiedeln sollte.

Nun zurück zu Mariette Beco. Ich bin weder Psychologe, noch Psychiater, aber ich gehe davon aus, dass, wenn meine elfjährige Tochter bei Schnee und Regen kniend im Garten mehrere Rosenkränze beten würde, was mit Sicherheit einen größeren Aufwand darstellt, als auf der Rückbank eines fahrenden und beheizten Reisebusses den Schlafenden zu miemen, ich das zu aller erst als einen unüberhörbaren und verzweifelten Schrei nach Aufmerksamkeit und Zuneigung verstehen würde. Dass dieses Kind möglicherweise die Sache von Beauraing mitbekommen hatte und erkannt haben muss, wie man Aufmerksamkeit quasi erzwingen kann, ist doch eine viel plausiblere Erklärung für die seltsamen Vorgänge im Garten, als jene Erklärung, die der Bischof 16 Jahre später für echt erklären wird. Sollte Mariette bewusst gelogen, oder auch nur sich die Erscheinungen bewusst eingeredet haben, so würde ich ihr das überhaupt nicht übel nehmen. Ich habe vielmehr völliges Unverständnis für die Erwachsenen im Umfeld, allen voran ihre Eltern, die diesen möglichen Schrei nicht hörten, bzw. hören wollten oder konnten. Das Verhalten der kirchlichen Autoritäten angesichts dieser möglichen Umstände widert mich an. Anstelle aus der Not des Kindes Lehren zu ziehen, wird diese in Propaganda zur Förderung einer scheinbar nicht zufriedenstellenden Frömmigkeit der Christen vor Ort umgemünzt, und das noch auf Kosten von Mariette. Anstelle ihr Verhalten als verzweifelte, aber durchaus clevere Tat zu betrachten, wird sie für dümmer erklärt, als sie möglicherweise ist, nur damit die von der Kirche benötigten Erscheinungen umso überzeugender verkauft werden können. Der Autor des Büchleins "Banneux - Message pour notre Temps", sozusagen das offizielle Informationsblatt des Banneux-Heiligtums, L. Wuillaume s.j. scheut sich nicht, Mariette als phantasieloses Mädchen abzukanzeln, das geistig unmöglich in der Lage gewesen sein könnte, die Erscheinungen auszuschmücken und somit den idealen Zeugen darstellt ("dépourvue d'imagination, elle a livré de fait brut sans l'enjoliver. L'idéal du témoin", Seite 43).

Ich bin mir ziemlich sicher, dass David Hume die Falschheit des Wunderbeweises in vorliegendem Falle für weit weniger wunderbar erachten würde, als das bezeugte Wunder selber, und demzufolge die Echtheit der Banneux-Erscheinungen verworfen hätte. Ich kann von mir behaupten, dass ich in dem Falle Hume nur zustimmen könnte.

Im Herbst des Jahres 2007 löste ich eine Kontroverse in der Leserbriefsparte der regionalen Tageszeitung Grenz-Echo aus, in dem ich auf Merkwürdigkeiten der Erscheinungen hinwies. Abgesehen von der einzigen Wortmeldung des Sankt Vither Dechants Jean Pohlen, ist von Seiten der Glaubensprofis, vom Verantwortlichen des Banneux Heiligtums bis zum Bischof, kein einziger in die Kontroverse eingestiegen. In besagter Wortmeldung weicht Jean Pohlen der Frage nach Echtheit der Erscheinungen auf ziemlich durchschaubare Weise aus, indem er schreibt: "Wir haben nie nach den geschichtlichen Ereignissen geforscht, sondern die Botschaft aufgenommen, vertieft und unter uns zu leben versucht." Man kann es kaum unmissverständlicher formulieren: Gläubige wollen glauben, nicht wissen.

Wie dem auch sei, ich bat die Verantwortlichen des Banneux-Heiligtums um Einsicht in die Berichte der Kommission, auf Grundlage derer die Echtheit erklärt wurde. Anstatt der scheinbar 1400 Seiten starken Berichte erhielt ich das bereits oben erwähnte Büchlein von L. Wuillaume s.j. Ich habe bereits oben die gesammelten Verlautbarungen der Erscheinenden wortwörtlich wiedergegeben. Es sind genau gezählt 450 Zeichen, Leerzeichen mitgezählt. Nun schickt sich L. Wuillaume an, diese eher mageren Auskünfte der Erscheinenden gepaart mit ihren Auftritten zu deuten. Seine Interpretation nimmt etwa 30 Seiten, genauer rund 70.000 Zeichen in Anspruch. Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Jedes der vier Evangelien nimmt etwa 40 Bibelseiten in Anspruch, wobei darin nicht nur alle Reden von Jesus sondern auch seine komplette Biografie enthalten sind. Ich will gar nicht wissen, auf welches Volumen diese 40 Bibelseiten im Laufe der 2000 Jahre durch Deutungen und Exegesen aufgebläht wurden. Der Faktor ist mit Sicherheit um ein Vielfaches höher als der bereits beachtliche Bläh-Faktor den Wuillaume im Falle der Banneux-Erscheinungen geschafft hat. Um dem Leser zu verdeutlichen, wie willkürlich Wuillaume simple Fakten interpretiert, hier nur ein kleines Beispiel. Laut Mariette näherte sich Maria nicht vom Himmel senkrecht zu ihr herab, nein, sie kam vom Horizont her und schwebte quasi wie ein Tiefflieger zwischen den Baumwipfeln auf sie zu. Anschließend entfernte die Erschienene sich auf ähnliche Weise. Daraus liest nun Wuillaume, dass Maria nicht im Himmel daumendrehend im Sessel sitzt, sondern pausenlos erdnah unterwegs ist, um den Menschen beizustehen. Bei genauerer Betrachtung stellt diese Interpretation eine offensichtliche Gotteslästerung dar. Wuillaume deutet an, dass Gott, Jesus und Heiliger Geist, die nicht so sichtbar und rastlos unterwegs sind, sehr wohl im Himmel daumendrehend im Sessel sitzen. Ein weiteres Merkmal der Wuillaume'schen Analyse ist, dass sie unzweifelhaft überheblich ist. So versteigt er sich zu der Aussage, dass jeder Verdacht eines möglichen Betrugs in dieser Angelegenheit nur einem kranken Hirn entspringe könne ("Le soupçon d'imposture ne pourrait germer que dans un cerveau dérangé!", Seite 43). Ich glaube Wuillaume ahnt gar nicht, wie beleidigend diese Aussage auch für Bischof Kerkhofs klingen muss, der immerhin 16 Jahre lang Zweifel gehegt hatte. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch er die Möglichkeit eines Betrugs, ob dieser nun von Mariette oder von irgendwelchen Dritten, die Mariette einen bösen Streich spielen wollten, ersonnen wurde, in Betracht gezogen haben muss. Dass die Interpretation vor Widersprüchen nicht gefeit ist, erkennt man daran, dass Wuillaume einmal von einer Begegnung auf Augenhöhe zwischen Maria und Mariette spricht, und das ganz toll findet, um dann wenig später eine auf den Knien rutschende Fortbewegung Mariettes in Richtung der Erscheinenden für absolut angemessen hält. Der Wallone würde zu Recht sagen: "N'importe quoi!". Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Wuillaume letztendlich nur drauf bedacht ist, salbungsvoll zu klingen. Er strickt sozusagen etwas scheinbar Gehaltvolles um die simplen Gesten und Sätze der Erscheinenden herum und bedient sich dabei dem reichhaltigen Symbolik-Fundus des Christentums, um dann am Ende überrascht zu tun, dass genau diese Gesten und Sätze so wunderbar zum Christentum passen. Das auffälligste Beispiel ist die Geschichte mit der Pfütze, in die Mariette ihre Hände taucht. Irgendwo in der christlichen Literatur muss wohl jemand Jesus mit Wasser gleichgesetzt haben. Und prompt deutet Wuillaume das Tauchen der Hände in genau diese Pfütze als ein Eintauchen in Jesus selber ("...plonger en Lui", Seite 53). Wäre Mariette, anstatt zu besagter Pfütze, auf Knien zu einem Zaunpfahl gerutscht, an welchem der nette Bauer ein offensichtlich verlorengegangenes Autokennzeichen genagelt hätte, dann hätte mit Sicherheit Wuillaume in den Zaunpfahl mit Autokennzeichen das Kreuz von Golgatha hineininterpretiert.

Ich denke in diesem Versuch einer Deutung der Geschehnisse wird die ganze Malaise von Religionen sichtbar. Man sieht das, was man sehen will, und jeder der das nicht nachvollziehen kann oder will, wird einfach für nicht ernst zunehmen erklärt. Wuillaume scheut sich nicht einen gewissen Pater Scheuer mit folgenden Worten zu zitieren: "Der Zweifel ist eine Nervenschwäche des Geistes und die Strafe für den Zweifler ist die Fruchtlosigkeit." (Seite 64). Geht's noch widerlicher? Wie dem auch sei, dem Autor fehlt es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an offenem Meinungsaustausch und Disput.

Wie wir gesehen haben, ist quasi innerhalb von 16 Jahren ein neuer Glaube geschaffen worden. Die Deutung von Wuillaume könnte durchaus als Grundlage für eine neue Religion genommen werden, wo diesmal Maria das Rennen macht. Man braucht sich nur vorzustellen, diesem Wuillaume würde in Zukunft ein eigenes Wunder angedichtet und er dadurch zum Heiligen gekürt. Er könnte sozusagen zum Stifter einer neuen Kirche werden, so wie es Paulus für die christliche Kirche war.

Hier habe ich also eine Möglichkeit der Glaubensentstehung geschildert, aber ich habe noch gar nicht vom dazugehörenden Rattenschwanz gesprochen. Die Echtheitserklärung von Bischof Kerkhofs betrifft ja nicht nur ihn und seine Zeitgenossen. Diese bringt jeden seiner Nachfolger in eine schwierige Lage, der angesichts der gleichen Fakten entgegengesetzte und durchaus nachvollziehbare Schlussfolgerungen ziehen würde. Man braucht sich nur vorzustellen, der heutige Bischof von Lüttich, Aloys Jousten würde angesichts des Kommissionsberichts und vielleicht neuer Erkenntnisse zu der Überzeugung gelangen, die Erscheinungen seien doch nicht echt gewesen. Die zentrale Frage die sich stellt ist Folgende: "Hat Bischof Aloys Jousten überhaupt die Möglichkeit, seine gegebenenfalls anderslautende Überzeugung in Sachen Banneux ehrlich offen zu legen?" Es gehört nicht allzu viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, in welche Lage sich der Bischof mit derlei Bekenntnissen hineinmanövrieren würde. Nicht nur dass er sich den Zorn des Vatikans oder der Nutznießer des Banneux-Kultes zuziehen würde, nein, er würde sich vor allen Dingen den Zorn der Banneux-Gläubigen zuziehen. Dieser Zorn würde in etwa dem Zorn eines Kleinkindes entsprechen, dem man sein Lieblingsspiel wegnimmt. Und hier erkennt man nun eine der unangenehmsten Eigenschaften von Glaubenssystemen: ihr absolutistischer Wahrheitsanspruch. Der Wissenschaftler kann ohne Weiteres eine Theorie verwerfen, sobald anderslautende Beweise vorliegen. Religionen können das nicht, weil sie sich nicht auf Beweise stützen. Der Gläubige denkt eben nicht folgendermaßen: "Ich glaube bis ich eines besseren belehrt werde." Er denkt: "Ich glaube. Punkt." Jetzt wird der Gläubige einwenden, dass der ewige Skeptiker sich dann doch der Liebe seines Partners oder seiner Kinder, bzw. Eltern auch niemals sicher sein kann. Für die Annahme, dass ein bestimmter Mensch mich liebt, gibt es in aller Regel hinreichende Hinweise, die dem normalen Menschen eigentlich genügen. Einem leibhaftigen Menschen glauben, dass er einen liebt, ist von dem Glauben, dass ein fiktives, sich niemals wirklich zu erkennen gebendes, rein geistiges Wesen einen liebt, grundverschieden. Wer hier nicht zustimmt, hat wohl niemals dieses Gefühl des Geliebtwerdens empfunden. Derjenige, der einen Restzweifel unerträglich findet, sollte einfach mal erwachsen werden, und sich von dieser scheinbar existentiellen Notwendigkeit, von einem bestimmten Menschen geliebt zu werden, befreien. Alle Glaubenssysteme quellen nur so über von derlei geglaubten Altlasten, die so manchen Menschen schier zu erdrücken scheinen. Sollte im Falle des Banneux-Glaubens Aloys Jousten eine andere Meinung vertreten, als Kerkhofs, wird er diese Thematik Zeit seines Lebens nicht entspannt, offen und ehrlich ansprechen können. Schlimmer noch, er wird sich sogar gegen gleichgesinnte Zweifler stellen müssen. Würde z.B. Aloys Jousten meine Position in Sachen Banneux vertreten, würde er zwar nicht mehr den Scheiterhaufen riskieren, wohl aber das frühzeitige Ende seiner Karriere. Nicht genug damit, Aloys Jousten muss seinerseits diese Problematik des notwendigen Heuchelns, sprich der Unmöglichkeit des offenen Zweifelns, geschweige der offenen Bekennung des Gegenteils an seinen Nachfolger weiterreichen.

Zum Schluss stellen wir uns vor, Mariette Beco würde heute bei klarem Verstand gestehen, dass sie vor 75 Jahren nicht ganz die Wahrheit gesagt hätte, dass sie z.B. zunächst überzeugt gewesen wäre, etwas Sonderbares gesehen zu haben, dann die ihr entgegengebrachte Aufmerksamkeit ganz toll gefunden hätte, aber schlussendlich weder die Mutter Gottes gesehen, noch gehört hätte. Ich könnte ihr weder das späte Eingeständnis, noch den Schwindel vor 75 Jahren, wie oben bereits erwähnt, übel nehmen. Aber was würden die Banneux-Gläubigen, inklusive Bischof und Papst, wohl denken und insbesondere fühlen. Würden sie Frau Beco dafür auf die Schulter klopfen, dass sie endlich offen und ehrlich war und ihr ihre Jugendsünde verzeihen? Oder würden sie Frau Beco für senil erklären und sozusagen ein zweites Mal "kreuzigen", so wie sie vor 75 Jahren ihre Unbedarftheit bereits als Argument für ihre Zwecke benötigten? Ich fürchte, das Zweite würde eintreten.

Übrigens wurde mir mehrere Male öffentlich vorgeworfen, auch von berufener Seite, wohl schlecht informiert zu sein. So erklärt z.B. Kaplan Jean Schoonbroodt, der seit zwölf Jahren am Pilgerort Banneux tätig ist, in einem Grenz-Echo-Interview, "dass er unter den derzeitigen harten Einwänden leidet, die gegen den Glauben, die Kirche und insbesondere Banneux vorgebracht werden, und die oftmals auf Missverständnissen oder mangelhafter Information beruhen". Dazu passt eigentlich nicht, dass meine Anfrage auf Einsicht des Kommissionsberichts bezüglich der Banneux-Erscheinungen an das Sekretariat des Banneux-Heiligtums von Letzterem seit drei Wochen ignoriert wird. Übrigens habe ich diese Anfrage auf Vorschlag des Bischofs Aloys Jousten gestellt, der mir in einem Blog-Kommentar wörtlich schrieb: "Ich empfehle jedem Kritiker oder Skeptiker, die Berichte der Kommissionen zu lesen." Dass meine Anfrage nun trotz dieser Empfehlung ignoriert wurde, erscheint da noch merkwürdiger. Den Bischof hatte ich übrigens über meine Anfrage informiert, aber auch von ihm habe ich seitdem nichts mehr gehört. Ich muss allerdings gestehen, dass ich im Rahmen meiner Anfrage darauf hin gewiesen hatte, dass ich die im Kommissionsbericht befindlichen Informationen möglicherweise für dieses Buch verwenden würde. Vielleicht hat dieser Hinweis ja Bedenken bei den Angeschriebenen ausgelöst. Ich denke, dass dieses "Zurückhalten von Beweismaterial" für sich selber spricht. Das Material scheint offensichtlich einer nüchternen Auswertung nicht standzuhalten.

Zu Teil 7
Gerhard Schmitz, St.Vith.
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#Posté le jeudi 11 décembre 2008 11:35

Modifié le lundi 05 janvier 2009 08:52

Ein Himmel voller Greise... (Teil 5)

...oder wie der zu Ende gedachte Himmel zum Albtraum wird.

Zu Teil 4

Stellen wir uns zwei geschwätzige Ameisen vor, die mit viel Mühe die Kuppelspitze der Basilika von Koekelberg in Brüssel zum wiederholten Male erklommen haben. Oben angekommen staunen beide wie immer über das Gewusel auf den Straßen. Sie können sich gar nicht satt daran sehen, wie diszipliniert sich all die Autos, Fahrradfahrer, Motorradfahrer, Züge, Straßenbahnen und Fußgänger verhalten. Nur selten stören sie einander in ihrem Bewegungsablauf. Was sich hinter den Glasfassaden und unterhalb des Straßenasphalts abspielt, brauchen sie erst gar nicht zu erahnen. Allein das was sie mit eigenen Augen sehen können, erscheint ihnen unermesslich kompliziert. Stellen wir uns nun weiter vor, dass die Ameisen, eben weil sie geschwätzig sind, von Erzählungen ihrer zig Generationen an Vorfahren her wissen, dass an gleicher Stelle vor etwa 1500 Jahren keineswegs Vergleichbares zu beobachten war. Möglicherweise standen damals an gleicher Stelle ausgedehnte Wälder. Wenn die Ameisen nun auf noch viel ältere Erinnerungen zurückgreifen, erzählen sie sich, dass doch früher die Menschen fast wie Affen aussahen, eben Urmenschen waren. Nun sitzen unsere beiden Ameisen dort auf der Kuppelspitze und schwelgen stundenlang in alten Erinnerungen. Sie erzählen vom Höhlenmenschen, von den ersten Ackerbauern, von zaghaften Fortschritten in der Technik, bis sie schlussendlich die Fertigstellung genau der Kathedrale, auf dessen Kuppel sie gerade hocken, zum x-ten Male bis ins Detail nacherzählen, weil einer ihrer nicht allzu ferner Urahnen diese selber miterlebte. Und jedes Mal, wenn sie quasi die Menschheitsgeschichte Revue passieren lassen, erscheint ihnen alles als eine logische Folge von ganz kleinen Schritten. Sie bewundern die Spezies Mensch dafür, dass sie ausgehend vom Menschenaffen, es bis zur Erschaffung dieses unbegreiflich komplexen Menschenhaufens, den man Brüssel nennt, gebracht haben. Sie, die Ameisen, haben es, wenn ich mich recht erinnere, in einem noch viel längeren Zeitraum nicht über den Ameisenhaufen hinaus gebracht. Als die beiden Ameisen spät abends zu ihrem Ameisenhaufen zurückkehren, stehen da zum hundertsten Male zwei Menschen davor und staunen. Es ist wie so oft der Vater, der seinem Sohn erklärt: „Schau' Dir das mal an. Ist das nicht ein Beweis dafür, wie wunderbar Gott alles geplant hat?“ Die Ameisen schütteln den Kopf. Sie finden Brüssel viel komplizierter und bestaunenswerter als ihren Ameisenhaufen. Sie haben keine Ahnung, wie Brüssel im Innersten funktioniert, aber eines wissen sie mit Sicherheit. Die Erschaffer von Brüssel sind Menschen, deren Vorfahren affenähnliche Tiere waren, und, weil die Ameisen die ganze Geschichte von den Anfängen an verfolgt und sich weiter erzählt haben, wissen sie, dass die Erschaffung von Brüssel keineswegs eines übernatürlichen Planers bedurfte. Die Ameisen kämen nie auf die Idee zu glauben, dass ein Höhlenmensch die Erschaffung von Brüssel im Sinn gehabt und entsprechend daraufhin gewirkt hätte. Die Ameisen sind keineswegs überrascht, dass es heute Brüssel gibt. Das einzige was sie überrascht und auch ein bisschen ärgert ist, dass die Menschen glauben, sie, die Ameisen, hätten es ohne das Zutun eines übernatürlichen Helfers niemals zu ihrem, im Vergleich zu Brüssel, doch eher bescheidenen Ameisenhaufen aus eigener Kraft gebracht.

Natürlich ist diese Geschichte Science-Fiction. Stimmt, Ameisen können nicht reden und sich über Generationen Geschichten erzählen (sind wir da so sicher?). Würden sie es aber doch können, wäre diese Geschichte mitnichten Science-Fiction. Es ist nun mal so, dass die Affenmenschen nicht im Traum daran dachten, Brüssel zu erschaffen, sie waren nicht einmal in der Lage, Brüssel zu denken. Und trotzdem haben ihre Nachfahren, ohne dass dies beabsichtigt war, Schritt für Schritt, erst die Rahmenbedingungen in Punkto Technik, und dann Brüssel selber Schritt für Schritt zu dem gemacht, was es heute ist.

Neben dieser allmählichen historischen Entwicklung, ausgehend von der Höhle, die vom Urmenschen in Beschlag genommen wurde, bis zur modernen ultrakomplexen Metropole, die, wie wir gesehen haben, keineswegs zwingend eines übernatürlichen Planers bedurfte, bedarf die pulsierende Großstadt auch keines übernatürlichen Verwalters. Man wird keinen einzigen Brüsseler finden, der den totalen Durchblick in Bezug auf das Funktionieren der Stadt hat. So wie die Erschaffung von Brüssel die Summe schier unendlich vieler kleiner Evolutionsschritte bedurfte, so ist das alltägliche Funktionieren der Großstadt die Summe schier unendlich vieler kleiner, von einzelnen Menschen wahrgenommener Funktiönchen. Der U-Bahnfahrer braucht sich nicht die geringsten Gedanken über die Verwaltungssoftware der Arzthelferin zu machen und umgekehrt. Schlimmer noch, es gibt keinen in Brüssel, der sich um das erfolgreiche Ineinandergreifen der beiden Funktionen kümmert oder kümmern müsste. Und trotzdem wird der Brüsseler nicht behaupten: "Schau' wie toll alles auf einander abgestimmt ist. Da muss es doch einen allmächtigen, allwissenden, allgütigen Verwalter geben!" Der Brüsseler begreift intuitiv, warum Brüssel funktioniert. Dass alle Funktiönchen so wunderbar ineinander greifen liegt daran, dass sie über Jahrhunderte sich so entwickelt haben. Der Bäcker hat gelernt, was zu tun ist, um Brötchen zu backen. Seine Zulieferer ebenso, seine Kunden haben gelernt, dass sie morgens 10 Minuten früher aufstehen müssen, wenn sie noch Brötchen kaufen müssen. Die U-Bahn-Verwaltung hat gelernt, dass um 8 Uhr morgens viele Menschen unterwegs sind, und haben deswegen die Taktzahl der Verbindungen für diese Uhrzeit höher angesetzt, als für 3 Uhr morgens. Eine Großstadt ist letztendlich ein stark dezentral und nicht zentral reguliertes Gebilde. Jeder erledigt seinen Job in gewissem Maße autonom. An den Schnittstellen der jeweiligen Aufgaben, z.B. Kunde beim Bäcker, arrangieren sich die jeweiligen Beteiligten, wobei sie sich einen Lernprozess seit Beginn der Evolution zu nutze machen. Der Kunde weiß z.B. dass er sich in der Schlange anstellen muss, wenn in der Bäckerei viel Betrieb ist. Das Schlangestehen hat sich ohne die Weisung eines allmächtigen Managers von ganz alleine als ein gute Lösung herauskristallisiert. Die Triebfeder, die die Bäckerkunden dazu gebracht hat, spontan eine Schlange zu bilden, ist nicht unbedingt die gegenseitige Zuneigung der Kunden, sondern ein kluger Egoismus. Der Kunde will letztendlich zu seinen Brötchen kommen und da ist eine allmorgendliche Schlägerei an der Bäckertheke offensichtlich wenig hilfreich.

So, wenn Sie jetzt das nächste Mal Brüssel im Landeanflug überfliegen, oder in einem der berühmten Brüsseler Restaurants einen Hummer (mit der Ameise artverwandt ?) genießen, werden Sie sich vielleicht an diese Geschichte erinnern.

Die Tatsache, dass nun der Affenmensch und seine Nachfahren es in knapp 30 Millionen Jahren schafften, Brüssel ohne zwingenden göttlichen Beistand quasi aus dem Nichts zu erschaffen, sollte uns ins Staunen über die Potenz der Evolution versetzen und uns dazu verleiten, nicht allzu schnell den lieben Gott zu bemühen, nur weil uns etwas auf den ersten Blick unmöglich erscheint.

Würde der obenerwähnte Vater seinem Sohn den Ameisenhaufen erklären, in dem er wie gesehen den Vergleich mit Brüssel heranzöge, anstatt gleich den lieben Gott ins Spiel zu bringen, wäre die Begeisterung des Sohnes nicht geringer, eher größer. Er würde ein Gefühl dafür bekommen, was Zeit und Veränderung, also Evolution bewirken können und würde vielleicht sogar die Ameisen mit ganz anderen, wahrscheinlich sogar freundlicheren Augen sehen als vorher.

„Weil es Brüssel gibt, muss es einen allmächtigen, allgütigen, allwissenden Designer geben, der die Erschaffung von Brüssel in die DNA der Vorfahren der Belgier eingepflanzt hat.“ Klingt doch irgendwie nicht mehr so überzeugend, oder? Denn wäre es den Vorfahren vorher bestimmt gewesen, Brüssel bis zum Jahre 2008 so zu erschaffen, wie wir es heute bewundern können, würden dann die anderen belgischen Großstädte wie Antwerpen oder Lüttich nicht genauso so aussehen wie Brüssel? Oder wurden etwa, der Annahme der Vorherbestimmung gemäß, den Vorfahren der Belgier, die an der Scheldemündung wohnten, wiederum eine andere DNA eingepflanzt, und den Vorfahren der Belgier am Zusammenfluss von Ourthe und Maas wiederum die Erschaffung von Lüttich einprogrammiert. Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass dieser Prozess der Großstadterschaffung sich ständig mehr oder weniger den Gegebenheiten immer wieder anpasste. Antwerpen lag in Meeresnähe und entwickelte deswegen einen Großseehafen und sonstige, u.a. von Matrosen gern in Anspruch genommene Dienstleistungen. Lüttich wiederum, hatte andere Rahmenbedingungen und so weiter. Trotz aller Verschiedenartigkeit sind Brüssel, Antwerpen und Lüttich unverkennbar Großstädte, die grundsätzlich gleich funktionieren. Alle haben dicht zusammengedrängte Wohneinheiten, Produktionseinheiten, Verkehrs- und Versorgungsnetze aller Art. So kann man die Städte weltweit vergleichen. Keine gleicht der anderen wie ein Zwilling, und doch, sie gehören der gleichen Spezies an.

Ich will hier nicht missverstanden werden. Obwohl sich ein Vergleich zwischen der Entwicklung von komplexen lebenden Organismen, wie wir Menschen, und der Entwicklung von Großstädten aufdrängt, bedeuten die Ähnlichkeiten keineswegs, dass die treibenden Mechanismen der jeweiligen Entwicklungen vergleichbar wären. Bei der schrittweise Erschaffung von Städten trafen Menschen, also mehr oder weniger denkende Wesen, Milliarden kleine oder große Entscheidungen, die den Prozess in die eine oder andere Richtung lenkten. Bei den Lebewesen scheinen Gene, die man, so weit ich das überblicken kann, eigentlich nicht als denkende Einheiten betrachten kann, aus unterschiedlichen Optionen ausgewählt zu haben. Mir reicht es eigentlich, wenn mein Vergleich, der eher als Allegorie verstanden werden sollte, dem Leser ein Gefühl dafür vermittelt, wozu eben schrittweise Evolution fähig ist, wenn Milliarden "kleiner" Entscheidungsträger, von denen kein einziger die Gesamtplanung kennt noch für sich beansprucht, über einen kaum vorstellbar langen Zeitraum, immer wieder und immer wieder auf Reize, sprich externe Bedingungen und Anforderungen reagieren. Mehr erwarte ich nicht. Hätten die Vorfahren von obenerwähntem Vater über Jahrmillionen die allmähliche Erschaffung des Ameisenhaufens miterlebt und immer wieder den Nachkommen weitererzählt, würde der Vater gar nicht mehr auf die Idee kommen, Gott als "Schöpfer" dieses Ameisenhaufens zu bemühen, sondern würde den Hut vor der erstaunlichen Kreativität und Lernfähigkeit dieser kleinen Krabbeltiere ziehen.
Zu Teil 6
Gerhard Schmitz, St.Vith.
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#Posté le jeudi 04 décembre 2008 18:13

Modifié le dimanche 14 décembre 2008 14:11

Ein Himmel voller Greise... (Teil 4)

...oder wie der zu Ende gedachte Himmel zum Albtraum wird.

Zu Teil 3

Mir wurde sowohl öffentlich, als auch persönlich des Öfteren vorgeworfen, den Menschen ihren Glauben zu vermiesen. So lange die Gläubigen einen in Ruhe lassen, könnte man doch jeden nach seiner Façon glauben und predigen lassen. Wenn dies möglich wäre, hätte ich damit nicht wirklich ein Problem, solange ich nicht befürchten muss, dass besagte Predigten andere Menschen, worunter sich mit Sicherheit welche befinden, die mir am Herzen liegen, durch diese Predigten Einbußen an Lebensqualität davontrügen. Nehmen wir z.B. an, da gäbe es eine obskure Sekte, die allen Ernstes verkündet, dass es in 30 Jahren z.B. Ambosse vom Himmel regnen wird, und nur der Mann nicht getroffen würde, der erstens ein Ambossamoulett um den Hals trägt, zweitens täglich elf Mal in Richtung Brüssel zum Amboss betet, drittens seiner Frau einen Amboss am Fußgelenk kettet und viertens pünktlich seine Ambossspende entrichtet. Und jetzt würde diese Sekte in meiner Stadt, St. Vith ein neues Zentrum in Form eines kirchturmhohen Ambosses errichten und jeden Dienstag auf dem Markt Flugblätter mit ihren Prophezeiungen verteilen. In diesem Falle wäre es äußerst unvernünftig, diese Sekte "in Ruhe predigen" zu lassen. Es wäre den St. Vithern sehr wohl damit gedient, wenn ich dann überzeugende Argumente vorlegen könnte, die diesen angekündigten Ambossregen zum Einen überhaupt als extrem unwahrscheinlich erscheinen ließe und zum Zweiten, wenn er denn stattfinden würde, es noch viel unwahrscheinlicher wäre, dass Ambossgläubige verschont würden. Beweisen, dass es ihn nicht geben wird oder Ambossgläubige nicht verschont würden, werde ich einfach nicht können und auch nicht müssen, denn ich denke den St. Vither genügt eine verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit derlei Geschehens, damit das Eintreten desselben als unglaubwürdig erscheint, und somit sich die St. Vither keine zusätzlichen Sorgen zu machen bräuchten. Denn in diesem Falle wäre die Nachweiserbringung der gegen Null tendierenden Wahrscheinlichkeit des Eintretens besagter Prophezeiungen wirklich eine "Frohe Botschaft". Das ist der Punkt. Religionsfreiheit? Ja, aber bitte kein Sonderstatus unter den Weltanschauungen. Im Falle der Ambosssekte wäre es doch kompletter Unfug, diese vor Kritik irgendwie in Schutz zu nehmen, und somit den St. Vithern meine "Frohe Botschaft" vorzuenthalten..

Die obenerwähnten Vorwürfe mündeten schließlich unter anderem darin, dass die Tageszeitung meiner Region, das Grenz-Echo, eine seit etwa einem Jahr, mit Unterbrechung laufende kontroverse Leserbriefreihe über das Thema Glauben kurzerhand stoppte. Mir wurde sozusagen die Bühne für meine atheistische Missionierung entzogen. Dass dieselbe Tageszeitung weiterhin regelmäßig religiöse Themen aufgreift und eindeutig wohlwollend behandelt war für diese, sich säkular gebende Zeitung kein Widerspruch. Als ich nun heute (30.12.08) in gleicher Zeitung einen eine Seite langen Bericht über die Sternsingeraktion lese, war ich schon überrascht, dort zu erfahren, dass als erste Zweckbestimmung des von den Kindern gesammelten Geldes die Evangelisierung genannt wurde. Des Weiteren scheut sich der Regionalverantwortliche der Sternsingeraktion und ehemalige Religionslehrer nicht, die "Kinder als kleine Missionare auszusenden, um den Menschen Gottes Segen für das neue Jahr zu bringen." Hier werden also Kinder eingesetzt, um eine bestimmte Weltanschauung unters Volk zu bringen. Die gleiche Zeitung die einem Leserbriefschreiber die Möglichkeit entzieht, seinen Unglauben zu erklären, beziehungsweise anderen nahe zu bringen, macht andererseits Werbung für eine Aktion, im Rahmen derer Kinder Geld sammeln, damit eine Organisation, hier die Kirche, ihre Weltanschauung unters Volk bringen kann. Dieses Messen mit zweierlei Maß zieht sich wie ein roter Faden durch die Haltung von Gläubigen oder dem Glauben Wohlgesonnener gegenüber bekennenden Ungläubigen. Den Gläubigen wird eine unverhohlene Missionierung für ihre Religion zugebilligt, dem bekennenden Ungläubigen wird ohne große Umschweife Fundamentalismus, Verletzung religiöser Gefühle und Intoleranz gegenüber Gläubigen vorgeworfen.

Ein Glaubenssystem birgt eine innewohnende Abneigung gegen Unglauben in sich. Der Gläubige braucht die Gemeinschaft Gleichgesinnter, um sich gegenseitig im Glauben zu bestärken. Der erste Feind des Glaubens ist die wohl auch jedem Gläubigen eigene Vernunft, die letztendlich, bevor sie einer Glaubensaussage traut, überzeugt werden will. Diese Überzeugung kann durch rationale Argumente, durch Mehrheiten oder durch Minderwertigkeitsgefühle bewerkstelligt werden. Nun sind bei allen Religionen die rationalen Argumente für das Glauben an einen Gott eher spärlich gesät. Dass dies so ist, erkennt man am unmittelbarsten daran, dass jede Religion geradezu darauf erpicht ist, die Kinder für sich zu gewinnen. Es ist ein offensichtliches Eingeständnis, dass das Überzeugen von Erwachsenen auf der Grundlage des besseren Arguments deutlich schwerer fällt. Ich will die Religion erleben, die den Eltern sagt: "Lasst Eure Kinder mit Eurem Glauben in Ruhe, bis sie erwachsen sind und verstehen können, um dann selber zu entscheiden, ob sie dann unseren Gott in den Mittelpunkt ihres Lebens rücken wollen." Nur wenige FC-Bayern-Fans schleppen ihre Vierjährigen jeden Samstag mit ins Stadion, damit sichergestellt ist, dass diese mit 18 überzeugte Bayern-Fans werden. Hinzu kommt, dass der FC-Bayern seine Fans mitnichten zu derlei Rekrutierung drängt, geschweige verpflichtet. Man muss sich das mal vorstellen. In meiner Heimat, der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens leben etwa 70.000 Menschen. Der Katholischen Kirche stehen für dieses Häuflein rund 15 bezahlte Priester, 100 bezahlte Religionslehrer, 3000 jugendliche Messdiener und ein Heer von Ehrenamtlichen, eine mit Monopolstellung ausgestattete und der Kirche sehr wohlgesonnene Tageszeitung zur Glaubensverbreitung zur Verfügung, und ob das alles noch nicht genug wäre, trägt die stärkste politische Partei der Region das christliche C in ihrem Namen, und trotzdem,... die Kirchen werden immer leerer. Man stelle sich vor, einem Dawkins stünde für die Verbreitung seiner Ideen ein ähnlich ausgestatteter Apparat zur Verfügung. Hinzu kommt, dass die Religiösen den allmächtigen Gott auf ihrer Seite vermuten. Es ist einfach nicht von der Hand zu weisen. Die Argumente für den Glauben müssen angesichts ihres Verbreitungsgrads und der entsprechend erkennbaren Wirkung als schwach eingestuft werden. Den Religionsvertretern ist dies durchaus bewusst und entsprechend ist ihre Strategie. Sie machen sich eine uralte Gewissheit zunutze. Da wo die Argumente nicht weiterhelfen, müssen es der Gruppenzwang oder die Autorität richten. Der Gruppenzwang geht von Gläubigen der gleichen Stufe der Hierarchie aus, und die Autorität wirkt von den Eltern auf die Kinder, vom Pfarrer auf die Kirchgänger, vom Religionslehrer auf den Schüler.

Die Strategie der Religionen, sich die Kinder als Zielgruppe für ihre Mitgliederwerbung auszusuchen, hat zwar einerseits den Vorteil, dass die Überzeugungsarbeit weniger aufwendig ist, hat aber andererseits den großen Nachteil, dass man Kindern eben nur einen kindgerechten Glauben vermitteln kann, den sehr viele Erwachsene sich dann leider bewahren. Die meisten erwachsenen Gläubigen hätten wohl die größte Mühe, mit theologisch hochgegriffenen Systemen parat zu kommen. Das hat zur Folge, dass in hochtrabenden Diskussionen die Religionsvertreter ganz anders reden, als der Pfarrer in der Dorfkirche. Die belgischen Bischöfe scheinen dies erkannt zu haben, und versuchen unablässig die Losung "Erwachsen werden im Glauben" an den Mann zu bringen. Dieses Unterfangen hätten sie sich sparen können, würde die Katholische Kirche nicht selber zunächst den Kindern einen kindischen Glauben einimpfen. Aber ich denke, die Katholische Kirche, und die übrigen Religionen auch, denken da ganz pragmatisch: "Besser einen infantilen Glauben, als gar keinen!"

Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Religionen ihrer dünnen Argumentationspotenz selber bewusst sind, kann man in der Übertreibung erkennen. Nehmen wir das Beispiel der Hölle. Ich kenne zurzeit kein Staatssystem, das derart grausam bestraft, wie die monotheistischen Götter es mit ihren Höllen tun. Besonders plastisch wird die Hölle im Koran geschildert, wo Sure 4,56 lautet: „Diejenigen, die nicht an unsere Zeichen glauben, die werden wir im Feuer brennen lassen: So oft ihre Haut verbrannt ist, geben wir ihnen eine andere Haut, damit sie die Strafe kosten. Wahrlich, Allah ist allmächtig, allweise.“ Ich vermute, die Autoren der Heiligen Schriften machten sich instinktiv das heute bekannte Gesetz des Wahrscheinlichkeitsrechnens zunutze, wonach die Motivation, etwas zu tun, anhand des arithmetischen Produkts des Ergebnisses dieses Tuns und der Wahrscheinlichkeit des Gelingens ermittelt wird. Jeder Lotto-Spieler folgt im Prinzip diesem Gesetz, wenn er trotz verschwindend kleiner Wahrscheinlichkeit des Millionengewinns, Geld für den Lotto-Schein ausgibt. Das Ergebnis, sprich der Millionengewinn bei sechs Richtigen ist dermaßen grandios, dass es die auch dermaßen geringe Wahrscheinlichkeit der Realisierung dieses Ergebnisses aufwiegt. Das gleiche Prinzip gilt nun bei der Hölle. Je geringer die geglaubte Wahrscheinlichkeit der Existenz der Hölle ist, je attraktiver muss das eventuelle, damit verbundene Ergebnis (hier die Vermeidung der Höllenqualen) sein, damit die gewünschte Motivation, sprich Gehorsam gegenüber der Religion, erzielt wird.

Dass es den Argumenten der Gläubigen an Überzeugungskraft fehlt, mag auch daran liegen, dass ihre geistige Elite offensichtlich hier und da erhebliche Probleme mit klarem Denken hat. Die im Januar diesen Jahres in Großbritanien angelaufene Werbekampagne der Atheisten [7], im Rahmen derer auf Stadtbussen mit großformatigen Anzeigen folgender Slogan „Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Jetzt mach Dir keine Sorgen und genieß Dein Leben" (Org. "There's probably no God. Now stop worrying and enjoy your life") unter die Leute gebracht wird, kommentierte Nick Spencer vom theologischen Think Tank Theos in der Zeitung „Guardian“ so: „Es sieht nicht so aus, als wären die Kampagnen-Leute sonderlich von ihrem Produkt überzeugt. Wenn mir ein Pilot sagen würde, 'der Flug nach Paris stürzt wahrscheinlich nicht ab', würde ich wohl den Zug nehmen.“ Daraus folgere ich, dass Nick Spencer nur dann das Flugzeug nimmt, wenn der Pilot entweder gar nichts sagen, oder sagen würde, "ich garantiere Ihnen, dass dieses Flugzeug nicht abstürzen wird". Er erwartet vom Piloten, dass dieser die Wahrheit verschweigt, oder ihm eine Beruhigungslüge auftischt. Die Wahrheit ist nun aber mal die, dass das Flugzeug in der Tat abstürzen kann und es keine Gewissheit gibt, den Flug zu überleben. Also kann der Pilot ein Überleben gar nicht garantieren, was übrigens jeder vernünftige, klar denkende Passagier genauso sehen wird. Im Grunde sagt Nick Spencer ungewollt sehr viel mit diesem, etwas abfällig gemeinten Kommentar, über das Wesen von Religion aus. Sie soll Gewissheiten vorgaukeln, wo es keine Gewissheit geben kann. Sie soll Sicherheit geben, wo tatsächlich ein Risiko besteht. Man kann sagen, dass Nick Spencer als Passagier im Flugzeug eine Erwartungshaltung an das Flugzeug hat, wie der Gläubige an das Leben überhaupt. Der Pilot soll im Flugzeug die Rolle übernehmen, die Religionsvertreter im Leben sich selber anmaßen oder die ihnen von ihren Gläubigen zugedacht wird, nämlich Sicherheit versprechen, wo Ungewissheit herrscht, also letztendlich Angst nehmen. Marx hat wohl genau das gemeint, als er "Religion als Opium für das Volk" charakterisierte. Das gefährliche an Religionen besteht nun darin, dass sie Tendenz haben diese Angst aufzubauschen, damit ihr Opium reißenden Absatz findet. Dem vernünftigen, klar denken Fluggast wird die tatsächliche verschwindend geringe Wahrscheinlichkeit eines Absturzes keine unvernünftige Angst mehr einjagen. Er wird sie als unvermeidliches Restrisiko, das dem Leben an sich innewohnt, einordnen und den Flug genießen.

Die bei den Gläubigen weitverbreitete Unfähigkeit, Ungewissheit und Unsicherheit aushalten zu können, findet man letztendlich bei jedem Kind. Das Kind braucht seine Eltern, damit es seine Fragen loswerden kann. Selbst wenn die Eltern keine zufriedenstellende Antwort haben, dies sogar offen gestehen, wird das fragende Kind beruhigt sein. Es hat sozusagen seine Frage ausgesprochen und die Verantwortung für die Beantwortung an die Eltern weitergegeben. Seine Frage ist in guten Händen, und solange Papa keine Antwort hat, solange braucht das Kind sich nicht weiter zu grämen. Das Kind ist dagegen solange beunruhigt, solange es die Frage nicht los wird, also die Verantwortung für die Beantwortung abgeben durfte. Des Weiteren sind die Eltern, oder andere erwachsene Bezugspersonen für das Kind erforderlich, damit es sich geborgen fühlt. Dieses Kind-Erwachsenen-Verhältnis ist eine absolut sinnvolle und verständliche Konstellation. Man kann ohne Übertreibung sagen: Das Kind braucht die Eltern. In einem Chat-Forum, wo über das Thema Glauben diskutiert wurde, formulierte ein Gläubiger dies mit seinen eigenen authentischen Worten so: "Der Mensch braucht einfach einen starken Gott an seiner Seite, sonst kann er nicht ruhig leben. Ist so was wie eine Stütze oder Versicherung." und dann etwas später so: "Sex ist genau so ein Bedürfnis wie Essen, Trinken, Schlafen und Glauben an Gott". Was lernen wir aus diesen Aussagen? Dieser Gläubige, und ich denke er spricht der Mehrheit der Gläubigen aus dem Herzen, ist davon überzeugt, dass der Mensch niemals wirklich erwachsen werden kann. Er wird niemals wirklich sein Schicksal selber in vollem Umfang in die Hand nehmen können, genauso wie ein Kind das nicht kann, und, im Falle des Kindes, auch zu Recht nicht können muss und soll. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass die Christen ihren Gott auch Vater nennen. Und ich denke, Jesus sieht das genau so, wenn er sagt (Mt 18,3): "Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr euch nicht bekehrt und nicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen. Wer sich also klein macht wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich." Die Theologen werden nicht müde, diese Bibelstelle als Beweis der tiefen Zuneigung, die Jesus für Kinder empfunden haben soll, zu interpretieren. Aber ich habe meine Zweifel, ob es Jesus wirklich um die Kinder geht. Er hat sich nicht sonderlich viel mit ihnen beschäftigt. Jesus geht es mehr um die Erwachsenen, die wie Kinder, d.h. zu einer Vaterfigur aufblickend, also unerwachsen werden sollen. Bischof Dr. Joachim Wanke, Erfurt, interpretiert diese Bibelstelle letztendlich, möglicherweise unfreiwillig, im gleichen Sinne, wenn er schreibt [10]: "Damit ist Kindsein nicht nur eine Dimension menschlicher, sondern auch göttlicher Existenz. Zu meinem Wesen als Mensch gehört das Kindsein. Es ist nicht nur ein einmal durchlaufenes frühmenschliches Stadium. Zur vollen Reife unserer Person gehört bis ins hohe Alter die Kindhaftigkeit. Es wäre sicher verfehlt, sie durch falsch verstandene Emanzipation auflösen zu wollen. Wir brauchen nicht nur in der Not oder im Leid 'unseren Vater'". Und weil nun die Gläubigen genau dieser Ansicht, dass der Mensch einen Gott braucht, sind, ist ein Dialog zwischen Gläubigen und Atheisten von vorneherein vergiftet. Der Gläubige betrachtet den Atheisten, dessen Grundüberzeugung wohl mit genau der Negation dieser Ansicht bestens zusammengefasst werden kann, nämlich "Der Mensch braucht Gott nicht", als irgendwie nicht normal oder zumindest überheblich. Gläubige verschiedener Religionen erkennen im jeweils Andersgläubigen zumindest ihre eigene Kindhaftigkeit in Form dieser Bedürftigkeit nach einer Vaterfigur. Dass beide unterschiedliche (Gott)Väter (glauben zu) haben, ist letztendlich für diese Problematik absolut zweitrangig. Dagegen der Atheist, der offensichtlich erwachsen geworden ist, oder es zumindest anstrebt, und somit seinen Vater nicht mehr braucht, bzw. brauchen möchte, ist dem Gläubigen suspekt. Der Atheist hat eine völlig unterschiedliche Grundhaltung fürs Leben. Da ist viel mehr Unterschied, als zwischen einem Muslim und einem Christen. Dies erklärt die z.T. aggressive Haltung von Gläubigen gegenüber bekennenden Atheisten. Man muss es so hart formulieren: Religionen wollen das Erwachsenwerden, das wirkliche Erwachsenwerden des Menschen mit allen Mitteln verhindern. Er soll seine Kindhaftigkeit, wie es Bischof Wanke nennt, nicht abstreifen. Man könnte es bildhaft so ausdrücken: Der Gläubige will immer bei Mutti zuhause wohnen bleiben, der Atheist dagegen traut sich zuhause auszuziehen. Die beiden werden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals gute Freunde werden, weil sie zu verschiedene Lebenshaltungen haben. Das Muttersöhnchen wird seine "Feigheit", sollte er darauf angesprochen werden, gegebenenfalls mit seiner größeren Mutterliebe schönreden. Auch wenn der Vergleich hinkt, das Muttersöhnchen wird sich dem erwachsen gewordenen, sein Leben selbst in die Hand nehmenden Auszügler unterlegen fühlen, und das schmerzt.

Wenn nun also die Argumente für den Glauben fehlen oder kaum überzeugend sind, dann muss die Vernunft entweder mittels erdrückender Gruppe besänftigt werden, nach dem Motto, "mein Zweifel ist gegenstandslos, denn sonst hätten ja alle anderen Unrecht" oder ihr muss das Rückgrat gebrochen, sprich der Mut zum Zweifeln genommen werden. Für dieses Unterfangen stehen zwei Mittel zur Verfügung. Das Eine besteht darin, dass man den zu glaubenden Dogmen sakralen Charakter verleiht, sie sozusagen überhöht. Das Andere besteht darin, dass dem Gläubigen seine Winzigartigkeit, seine Schlechtigkeit immer und immer wieder eingeredet wird. Derjenige, der sein Selbstbewusstsein als gering betrachtet, traut sich keinen Widerspruch, sprich Unglauben zu. Damit Sakralität nachvollziehbar an den Gläubigen gebracht werden kann, ist die bereits angesprochene Gruppe erforderlich. Und tatsächlich, sakralen Charakter kann nur das haben, was viele als heilig betrachten. Heiligkeit bedarf einer bestimmten Anzahl an Gläubigen, Dawkins würde von kritischer Masse sprechen. Ein Popstar ist "heilig", weil viele Fans ihn verehren. Eine Fußballmannschaft, die bereits 100.000 Fans hat, wird aufgrund schon alleine dieser Tatsache leichter einen weiteren Fan gewinnen, als die Mannschaft, die erst 10 eingefleischte Fans hat. Es ist letztendlich so, dass der Durchschnittsgläubige nur gruppenweise glaubt, der Durchschnittsatheist ohne weiteres alleine zweifeln kann. Ich könnte durchaus in meiner Heimatstadt Sankt Vith der einzige Atheist unter 5000 Gläubigen sein. Umgekehrt sähe das ganz anders aus. Ich denke da würde sogar der Papst von Zweifeln geplagt werden, wäre er der einzige Gläubige unter 5000 Atheisten in Sankt Vith. Es liegt nahe, dass die Koexistenz von Gläubigen und Ungläubigen nur funktioniert, wenn die Gläubigen in der Mehrheit sind. Die Gläubigen mögen durchaus verschiedenen Religionen oder Konfessionen angehören, aber sie müssen Gläubige sein. Meine persönliche Erfahrung ist, dass Gläubige verschiedener Religionen untereinander ein gewisses Maß an Toleranz pflegen, aber Atheisten gegenüber wenig Sympathie an den Tag legen. "Eine Krähe hackt der anderen keine Auge aus!" Man sollte diese Sprichwort um einen kleinen Nebensatz erweitern und stattdessen sagen: ""Eine Krähe hackt der anderen keine Auge aus, solange die andere noch als Krähe wahrgenommen wird!"

Diese Antipathie der Gläubigen aller Art gegenüber Ungläubigen zeigt sich u.a. daran, dass sie immer wieder auf die Unverletzlichkeit religiöser Gefühle pochen, wenn Religion grundsätzlich in Frage gestellt wird. Den Christen stört es nicht sonderlich, dass der Muslime anstatt zum Christengott zu Allah betet. Es stört, es "verletzt" ihn viel mehr, wenn man den Glauben an einen Gott grundsätzlich als infantiles Wunschdenken entlarvt. Diese Verletzlichkeit der religiösen Gefühle der Gläubigen hat ihren Ursprung u.a. darin, dass ein wie auch immer gearteter Angriff auf seine Religion den Gläubigen daran erinnert, dass das Geglaubte eben nur geglaubt und nicht, wie es die eigene Vernunft des Gläubigen ansonsten erwarten würde, gewusst ist. Jeder Angriff auf seine Religion erinnert den Gläubigen daran, dass es Ungläubige gibt, die seine eigene zweifelnde Vernunft ermutigen könnten. Jeder Angriff auf die Religion beschädigt den sakralen Charakter des Geglaubten. Und sollte ein derartiger Angriff an einen eingefleischten Gläubigen selber auch spurlos abprallen, so werden diesen doch insgeheim Zweifel plagen, ob seine Glaubensgenossen genau so standhaft bleiben wie er. Das Schrumpfen, bzw. Auseinanderbrechen seiner zum Glauben erforderlichen Glaubensgemeinschaft könnte letztendlich auch seinen eigenen Glauben ins Wanken bringen. Kurzum, derjenige, der den Glauben anderer in Zweifel zieht, ist ein Spielverderber. Es wäre doch viel einfacher für die Christen gewesen, hätte z.B. Nietzsche das Spiel "Glauben" brav mitgespielt. Nein, er musste es mal wieder verderben. Allein schon die Tatsache, dass Ungläubige die Frechheit besitzen, ohne Gott glücklich zu sein, nehmen die Durchschnittsgläubigen dem Ungläubigen übel, weil es als Spielverderben wahrgenommen wird. Wäre das Leben nur ein Spiel, könnte ich der Haltung der Gläubigen noch etwas abgewinnen.

Wir sollten uns auch nicht täuschen. Der Religionen innewohnende Anspruch auf absolutistische Wahrheit, also eben nicht zu glauben bis gegenteilige Beweise vorliegen, sondern immer zu glauben, birgt die Gefahr einer unausweichlichen Gewaltbereitschaft. Werden die Argumente, Hinweise oder gar Beweise, die gegen die Glaubensdogmen sprechen, erdrückend, so besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Gläubigen sich ihren Glauben trotz dieser erdrückenden Gegenargumente bewahren wollen. Werden nun diese Stimmen gegen ihre Glaubensdogmen bis zum Unerträglichen immer lauter und lästiger und können die Gegenargumente nicht mittels ins Lächerliche ziehen entschärft werden, wird der Gläubige eine verzweifelte Aggression gegen diese entwickeln. Es ist wirklich kein Zufall, dass Religion dort, wo sie sich auf Gewalt gegen Abweichler stützen, bzw. berufen kann, den größten gesellschaftlichen Einfluss hat. Wäre das Christentum nicht 380 n. Chr. zur Staatsreligion im Römischen Reich geworden, wären die Katharer im 14. Jahrhundert nicht brutal vernichtet worden, hätte nicht die Inquisition Angst und Schrecken verbreitet, usw. könnte man davon ausgehen, dass das Christentum heute deutlich weniger bedeutend wäre. Wovon das Christentum im Mittelalter profitierte, davon profitiert der Islam heute im Iran: Gewalt statt Überzeugung. Jetzt wird der weichgespülte Christ in Westeuropa einwenden, dass sein Glaube absolut friedlich ist. Der Glaube ist notgedrungen friedlich geworden, weil er durch die unfreiwillige Trennung von Kirche und Staat entwaffnet wurde. Religionen geben sich solange friedlich, solange sie keine Macht haben. Gib den Religionen wirkliche Macht, und Du lernst ihr zweites wahres Gesicht kennen. Stünden heute z.B. einem Kardinal Meisner die Mittel eines Diktators zur Verfügung, wollte ich kein Homosexueller im Erzbistum Köln sein.

Ich werde mal versuchen den Leser ein wenig aus dem Schlaf zu reißen, indem ich ihn mit einer logischen Kette zu einer provokativen „Erkenntnis“ hinführe. Ich betrachte dies eher als ein Anwendungsbeispiel dafür, wie man Aussagen alleine dadurch, dass man sie ernst nimmt, ins Wanken bringen kann.

Ein grundsätzliches Problem, das sich Anhänger einer Religion stellt, ist die Toleranz gegenüber den anderen Religionen. Heute üben sich alle aufgeklärten, sprich nicht fundamentalistisch eingestellten Gläubigen jeder Couleur in Toleranz, indem sie nicht müde werden, offiziell auf einen Alleinanspruch ihrer Religion zu verzichten, und zu behaupten, selbstverständlich jedem religiösen Menschen seinen eigenen Glauben zu lassen. Nehmen wir z.B. einen gläubigen Christen und einen gläubigen Muslimen, die sich beide kennen, schätzen und dem anderen seinen jeweiligen Glauben gönnen. Jetzt stellt sich den beiden natürlich unweigerlich die folgende Frage: Sind der christliche Gott und Allah ein und derselbe Gott?

Derjenige der diese Frage mit Ja beantwortet, wird dann nicht um die sich daraus ergebende Frage herumkommen, warum dieser eine Gott sich dann dermaßen unterschiedlich gegenüber den Menschen artikuliert. Einmal teilt dieser sich den Menschen durch die Bibel mit, dann später, teilt er sich auf ziemlich unterschiedliche Weise den Menschen durch den Koran mit. Die zwei Offenbarungen sind so unterschiedlich, zumindest missverständlich, dass jeweils sich die Gläubigen, nicht nur gegenseitig als Ungläubige bezeichnen, sondern sich z.T. bis auf den Tod bekämpfen. Man könnte also ohne Übertreibung sagen, dass dieser einzige Gott erhebliche Kommunikationsprobleme mit der Gattung Mensch hat. Jetzt werden die Gläubigen sagen, dass dies nicht das Versagen des Autors der heiligen Schriften (Gott) sei, sondern dasjenige der jeweiligen Leser. Mag sein, aber dann hat dieser Gott, der ja seine Leserschaft perfekt kennt, sich trotz dieses Wissens um die Unfähigkeit seiner Leser, doch sehr unklar ausgedrückt. Dieser eine Gott, der die Welt, den Menschen erschaffen haben soll, der Ewigkeit gewähren soll, dem etwas am Glauben an ihm liegt, schafft es nicht einmal, sich diesen Menschen auch nur halbwegs klar mitzuteilen. Die einen sind fest überzeugt, dass dieser eine Gott ihnen ewiges Leben verleiht, wenn sie diejenigen töten, die auch, aber eben nur anders, an ihn glauben. Kann es ein größeres Missverständnis geben?

Derjenige der die gleiche Frage, sind der christliche Gott und Allah ein und derselbe Gott, jetzt mit Nein beantwortet, verursacht ein noch größeres Durcheinander. Kann es denn tatsächlich zwei Götter mit derlei Attributen geben? Haben die beiden die Welt in einer Art Kooperation erschaffen? Hat jeder seinen eigenen Himmel und seine eigene Justizbarkeit? Man könnte diese Fragereihe noch seitenweise fortsetzen und es würde immer groteskere Züge annehmen. Ich glaube eher, dass es für einen Gläubigen nicht vorstellbar ist, dass es neben seinem Gott, noch einen anderen Gott gleichen Kalibers gibt.

Mit diesen Überlegungen kommen wir schnurstracks zu einem fundamentalen Problem aller Gläubigen. Gläubige machen Aussagen, haben aber äußert selten die intellektuelle Redlichkeit, diese Aussagen zu Ende zu denken. So reden sie z.B. schnell von Toleranz, scheuen sich aber, diese Aussage auf Herz und Nieren zu prüfen. Denn in der soeben behandelten Frage müssten z.B. Christen eingestehen, dass Allah neben ihrem Gott real existiert, oder sie müssten ehrlichkeitshalber zugeben, dass sie zwar die Muslime „tolerieren“, sie aber auf dem Holzweg wähnen, da es den sich im Koran geoffenbarten Allah gar nicht gibt. Würden die Muslime an den Osterhasen glauben, so würde man als friedliebender Christ auch das tolerieren, aber im Grunde wohl belächeln. Sam Harris („Das Ende vom Glauben“) hat aber bereits dieses grundsätzliche Problem herausgestellt. Damit Glauben wirken kann, müssen die Gläubigen das Geglaubte für wahr halten, und folgerichtigerweise all das, was nicht mit dem Geglaubten verträglich ist (z.B. ein zweiter Gott, oder eine zweite Offenbarung), für falsch halten.

Treibt man die Überlegung bis zum bitteren Ende, kann man durchaus, zugegebenermaßen etwas provokativ, behaupten, dass nur der nicht zu Ende denkende Gläubige ohne Überheblichkeit tolerant sein kann. Der nachdenkliche, sprich Dinge zu Ende denkende und intellektuell redliche Gläubige kann eigentlich nur Fundamenlist oder Atheist, oder zumindest ein Zweifelnder werden, weil er der obigen Frage nicht einfach aus dem Weg gehen kann und auch nicht gehen wird. Mit Fundamentalist meine ich hier einen Gläubigen, der seine Religion als einzig wahre begreift und die anderen bestenfalls nur belächelt. Eine notwendige Schlussfolgerung dieses Belächeln ist ein Überheblichkeitsgefühl gegenüber dem Andersgläubigen, und schon haben wir den ganzen Salat. In der Tat ist auf Dauer ein friedliches und konstruktives Nebeneinander von Menschen, wobei sich der eine dem anderen dauerhaft überlegen fühlt, kaum vorstellbar. Man muss es so hart formulieren, alle nicht fundamentalistischen, weichgespülten Gläubige sind denkfaul oder zu feige, entweder ihren religiösen Fundamentalismus oder ihre ernsthaften Zweifel offen zu bekennen. Man kann eben nicht ernsthaft jedem seinen persönlich zurechtgebastelten Gott zugestehen, sich einen solchen selber basteln, und dann diesem „Osterhasen“ ernsthaft die Allmacht andichten, die man sich so sehr von einem Gott wünscht. Das ist einfach kindisch.

Der Leser, der sich jetzt schon angeekelt abwendet, weil er dieser Argumentation in keinster Weise folgen kann, kann sich im Grunde den Rest des Buches sparen. Ich setze beim Leser im folgenden ein Mindestmaß an logischem Verständnis und intellektueller Redlichkeit voraus. Unter dieser Redlichkeit verstehe ich eine Haltung, die darin besteht, zu versuchen, eventuell falsche Behauptungen mit Gegenargumenten zu widerlegen, und nicht sich bei Meinungsverschiedenheit mit Empörung zu begnügen. Ich kann Friedrich Nietzsche nur zustimmen, wenn er im „Antichrist“ behauptet, dass Überzeugung kein Kriterium für die Wahrheit sei.

Ich halte diese typische Fähigkeit der Gläubigen, etwas Geglaubtes, das deswegen eben nur geglaubt werden kann, weil es ja gerade nicht beweisbar ist, für tatsächlich wahr zu halten, keineswegs für eine Tugend. Es ist genau diese Untugend, welche die Menschen sozusagen geradezu spalten muss, wenn sie gegensätzliche "unbeweisbare" Dinge für wahr halten. Der Muslim kann seine Überzeugungen niemals mit einem Christen teilen. Es wäre für das Zusammenleben der Menschen allgemein mit Sicherheit fruchtbarer, wenn nur beweisbare Dinge als faktische Wahrheiten betrachtet würden. Alles andere sollte ruhig angezweifelt werden dürfen, denn Zweifel kann man ohne Weiteres mit anderen teilen, gegensätzliche unbeweisbare Überzeugungen dagegen niemals. Ich betrachte die Fähigkeit, Zweifel und offene Fragen aushalten zu können, viel eher als eine Tugend.

Dass viele Menschen Mühe damit haben, offene Fragen auszuhalten, kann damit zusammenhängen, dass ein Nichtbeantwortenkönnen von Fragen als Schwäche ausgelegt wird. Eltern, Lehrer, Politiker, Theologen, denen ihre Autorität wichtig ist, wird man selten sagen hören: "Darauf habe ich keine Antwort." Alle diese Menschen sind anfällig für Religion. In der Tat, der religiöse Mensch hat immer eine Antwort auf alles, und sei es Folgende: "Das macht Gott! Das ist Gottes Plan! Das regelt Gott!" usw. Der Trick dabei ist, das man genau diesen Gott gleichzeitig derart aufbläht, dass er über jede weitere Frage erhaben ist. Man baut sozusagen mit dem Verweis auf Gott einen Fragestopp ein. Man könnte sagen, dass Religionen ihren Ursprung in der Ungeduld des Menschen begründet. Tritt eine Frage auf, dann fehlt den meisten Menschen die Geduld, auf eine schlüssige Antwort zu warten, auf eine Antwort, die vielleicht Generationen später erst gegeben werden kann. Nein, diese Menschen wollen jetzt und auf alles eine, wie auch immer geartete Antwort haben. Man kann durchaus Gläubige als Ungeduldige in diesem Sinne betrachten.

Schon Augustinus wollte dem Menschen mit seiner Geschichte, worin ein Junge versucht das ganze Meer in seine Sandmulde zu schöpfen, vor Augen führen, dass Gott dermaßen groß ist (Meer), dass er nie und nimmer vom kleinen menschlichen Verstand (Sandmulde) erfasst werden kann. Und schon ist man fein raus. Es gibt keine wirklich offenen Fragen mehr. Der Autoritätsmensch reicht sein Unwissen an eine höhere Instanz weiter und verkauft dieses Weiterleiten dann noch als souveräne Antwort. Damit steht der religiöse Autoritätsmensch selbstverständlich viel besser da, als der "unwissende" Zweifler. Autorität hat mit "Bescheidwissen" zu tun. Hinzu kommt, dass dieser religiöse Autoritätsmensch nicht unbedingt außergewöhnlich klug sein muss, um diese Taktik des Weiterleitens komplexer, auch existenzieller Fragen an eine höhere Instanz, namens Gott, anwenden zu können. Man könnte etwas provokativ sagen, dass Religion auch dem durchschnittlich intellektuell Begabten die Möglichkeit bietet, Allwissenheit vorzutäuschen. Vielleicht ist dieser Aspekt genau so ausschlaggebend für den Fortbestand von Religionen, wie Folgender. Dass offene Fragen ein unangenehmes Gefühl erzeugen, wird jeder bestätigen können, der aus dem Kino kommt und soeben einen Film mit offenem Ende angesehen hat. Ein schönes, sogar ein schlimmes Ende hinterlässt nicht dieses unangenehme Gefühl, wie es ein offenes Ende hinterlässt. So gesehen ergänzen sich Autoritätsmensch und Beherrschter in gewissem Sinne. Der Autoritätsmensch vermeidet zum Schutz seiner Autorität offene Fragen, was wiederum dem Beherrschten sehr entgegenkommt: Offene Fragen untergraben die Autorität des Herrschers und beunruhigen das Fußvolk.

Gläubige scheinen genau nun also diese Fähigkeit, Zweifel auszuhalten, nicht in ausreichendem Maße zu besitzen. Die Unfähigkeit der Gläubigen "unter Vorbehalt zu glauben" birgt gewissermaßen den gesellschaftlichen Spaltpilz in sich. Der Gläubige sagt eben nicht folgendes: "Ich glaube dieses und jenes so lange, bis ich eines besseren belehrt werde." Ein überzeugter Christ und ein überzeugter Muslim können noch so gut befreundet sein, der erste wird, solange er überzeugter Christ ist, niemals zu seinem muslimischen Freund sagen können: "Also Du scheinst doch Recht zu haben, Allah hat die Welt erschaffen, nicht mein christlicher Gott." Und natürlich genauso wird der Muslim, solange er überzeugter Muslim ist, niemals zu seinem christlichen Freund sagen können: "Also Du scheinst doch Recht zu haben, Dein Gott hat die Welt erschaffen, nicht Allah." Und weil dies so ist, ist die Frage, ob die beiden überhaupt wirkliche Freunde sein können, durchaus berechtigt. Ihre Freundschaft scheitert möglicherweise daran, dass eben beide den Begriff Wahrheit verraten. Anstatt Wahrheit für eine objektive Begebenheit zu betrachten, wird diese der Sehnsucht und dem Wollen des Menschen quasi geopfert. Der Gläubige will, dass etwas wahr ist. Und dann baut er seine Weltanschauung auf diese sich eingeredete Wahrheit auf. Im Grunde ist der Glaube der Gläubigen eben nicht auf Fels, sondern auf Sand, auf eine gewünschte, und nicht gewusste Wahrheit gebaut.

Eine weitere Problematik ist Folgende. Die sich liberal gebenden Christen unterscheiden im Allgemeinen zwischen dem historischen Jesus und dem göttlichen Jesus. Sie gehen sogar so weit, anzuerkennen, dass der historische Jesus vor etwa 2000 Jahren gestorben ist. Der göttliche Jesus dagegen sei auferstanden und lebt weiter. Ich befürchte, dass dieser göttliche Jesus bestenfalls in den Köpfen der Christen seit 2000 Jahren überleben konnte. Die Christen sehen ein, dass Jupiter letztendlich mit dem letzten an ihn glaubenden Römer gestorben ist. Nun vermute ich, dass die Christen letztendlich ähnliche unausgesprochene Befürchtungen teilen, nämlich, dass auch der göttliche Jesus mitsamt seinem Gottvater mit dem letzten glaubenden Christen stirbt. Dies würde den fast zwanghaft anmutenden Drang zum Missionieren der nachkommenden Generationen erklären. Vordergründig wird behauptet, man wolle den Nachkommen den beglückenden Glauben weitergeben, aber ich vermute, diese Weitergabe des Glaubens an die Nachkommen verfolgt als primäres Ziel, den geglaubten Gott am Leben zu erhalten. Die Furcht ist groß, dass den Christengott das gleiche Schicksal ereilen könnte, wie Jupiter, Zeuss und all den anderen ausgestorbenen Göttern. Unter diesem Gesichtspunkt wird die Missionierung der Nachkommen gerade zu existentiell. Die Vorstellung, dass die zukünftigen Generationen den Glauben an Gott verlieren könnten, könnte für die heutigen Gläubigen bedeuten, dass mit diesem Verlust ebenfalls ihr Himmel sich in Nichts auflösen könnte. Wenn die Jugend den Glauben verliert, wird's den Greisen Angst und Bange, nicht so sehr um das Seelenheil der Jugend, sondern um ihr warmes Plätzchen im Himmel.

Ich denke, dass ich somit hinreichend dargelegt habe, dass Religion nur begrenzt als etwas Privates betrachtet werden kann, oder jemals wird betrachtet werden können.

Zu Teil 5

Gerhard Schmitz, St.Vith.
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#Posté le lundi 08 décembre 2008 07:44

Modifié le vendredi 18 septembre 2009 15:47

Ein Himmel voller Greise... (Teil 3)

...oder wie der zu Ende gedachte Himmel zum Albtraum wird.

Zu Teil 2

Um sich darüber im Klaren zu werden, wie wenig die großen drei monotheistischen Religionen das Glück des einzelnen Menschen im Blick haben, erkennt man an der Eifersucht der entsprechenden Götter auf alles, was das irdische Glück des Menschen ausmachen könnte. Die Religionen vergreifen sich auf unerträgliche Weise an der Liebesfähigkeit des Menschen. Dass die Spezies Mensch in der Lage ist, andere Menschen zu lieben, scheint den Neid des monotheistischen Gottes zu entfachen. Ich habe auf diese Problematik bereits in meinen Blog-Artikeln Nächstenliebe à la Jesus ist nicht genug, Paulus hatte von Liebe keine Ahnung und Du darfst Deine(n) Nächste(n) lieben hingewiesen. Ein erster Warnschuss für jeden vernünftigen Menschen muss der furchtbare Auftrag Gottes an Abraham, seinen eigenen Sohn zu schlachten, gewesen sein. Diesmal hatte Gott noch ein einsehen, aber wenig später in der weit weniger bekannten Geschichte (Buch Richter, 11) bringt der Feldherr Jephte Gott zum Dank für seinen mitlitärischen Sieg über die Ammoniter seine Tochter zum Brandopfer dar und diesmal zieht Gott nicht die Notbremse. Dass dieser Gott nicht davor zurückschreckt, seinen eigenen Sohn zunächst foltern und anschließend am Kreuz elendig verrecken zu lassen, nur um seinen eigenen Zorn über die Menschheit, verursacht durch eine banale Tat Eva's, zu besänftigen, passt in dieses Bild. Einen Menschen ermorden ist, da sind wir uns alle einig, ein Kapitalverbrechen. Ein Kind ermorden ist ein ekelerregendes Kapitalverbrechen. Den Vater dazu zu bringen, sein eigenes Kind zu töten, übertrifft die beiden ersten Verbrechen noch an Grausamkeit. Wer tut so etwas? Antwort: Gott!

Eigentlich schade, dass Jesus keine Tochter oder Sohn hatte. Dann hätte Gott logischerweise von Jesus verlangen müssen, nicht sich selber zu opfern, sondern sein Kind, weil dies ein viel größeres Opfer zur Erlösung der Menschheit bedeutet hätte. Ich denke in diesem Falle, hätte sich das Christentum ein für allemal erledigt. Hätte Jesus sich geweigert, sein Kind zu opfern, dann hätte er zu Recht seine eigene menschliche Ethik höher gewichtet wie den Gottesgehorsam. Hätte Jesus aber andererseits sein Kind geopfert, dann wäre es kaum noch möglich gewesen, ihn als das Vorbild hochzustilisieren. Vielleicht war deswegen die Kinderlosigkeit von Jesus ganz praktisch. Allerdings bleibt den Christen folgende Frage nicht erspart: "Wie kann Gott in Jesus ganz Mensch werden, wenn er die stärksten menschlichen Gefühlsregungen, nämlich Liebe zu einem Kind und Trauer um ein Kind, von Liebe, Verliebtheit und Sinnlichkeit der erwachsenen Menschen untereinander ganz zu schweigen, ausspart?" Hätten die Katholischen Kleriker die Möglichkeit, eigene Kinder zu haben und zu lieben, würden sie verstehen, dass die Liebe zu einem Menschen keineswegs einer "transzendenten Würde" oder "Gottesebenbildlichkeit" bedarf. Die Mutter liebt ihr Kind, Punkt. Sie muss sich nicht erst einreden, dass ihr Kind das Abbild eines unsichtbaren allmächtigen, allgütigen, allwissenden Gottes ist, um es mit aller Kraft zu lieben. Es erstaunt mich übrigens, dass diese naheliegende Frage so selten, bis gar nicht gestellt, geschweige denn beantwortet wird. Dies mag vielleicht einer der Gründe gewesen sein, warum Scorsese's Spielfim "Die letzte Versuchung", der genau diese Thematik eines Jesus mit eigener Familie aufgriff, derlei Empörung unter den Christen auslöste. Es kann durchaus sein, dass den katholischen Würdenträgern eine grundlegende Debatte um genau diese Frage äußert unangenehm hätte werden können. Ich erinnere mich noch genau daran, wie im Rahmen einer Podiumsdiskussion ich Luc Alt fragte, ob er den Film den überhaupt gesehen hätte. Er darauf wörtlich: "Ich brauch den Film nicht gesehen zu haben. Ich weiß ja schließlich auch, dass Scheiße stinkt, ohne in dieselbe hineingetreten zu sein." Übrigens der besagte Luc Alt organisiert jedes Jahr in Sankt Vith, meiner Heimatstadt, die Bibeltage mit, aus seiner Sicht grandiosem Erfolg.

Dies also nur zur Erinnerung daran, mit welcher Art Gott die monotheistischen Religionen uns moralisch daher kommen wollen. Dies sollte ein wenig den Blick dafür schärfen, wie wenig diesen Religionen das irdische Glück des Menschen am Herzen liegt. Wir sollten äußerst skeptisch sein, wenn Religionsvertreter uns einen derartigen Gott als liebenden Gott schönreden wollen. Wir sollten noch skeptischer sein, wenn Religionsvertreter sich auf einen derartigen Gott berufen, um den Menschen Ratschläge für ein "glückliches" irdisches Dasein, das sie letztendlich als Vorspiel zum ewigen Leben deklassieren, ans Herz zu legen.

Der Pfarrer Willy Kessel, den ich als Religionslehrer sehr schätzte, glaubt allen Ernstes, "Christen seien das Salz der Erde und ihre Aufgabe bestünde darin, den Menschen die Welt schmackhaft zu machen", siehe Grenz-Echo Interview vom 11. Dezember 2008. Das Gegenteil ist der Fall. Dass den Religionen herzlich wenig am diesseitigen Glück des Menschen liegt, erkennt man u.a. daran, wie sie die Thematik Sexualität angehen. Die Sexualfeindlichkeit der Religionen muss ich wohl dem Leser nicht weiter erläutern. Man denke an das Beharren auf der Jungfräulichkeit Maria's, der Zwang zum Zölibat für alle Kleriker, monogame Ehe bis zum Tod, den Ratschlag von Paulus, Single zu bleiben, usw. Eine subtilere Art des ewigen Kampfes der Religionen gegen das diesseitige Glück der Menschen ist der Rahmen, in den die Religionen jegliche zwischenmenschliche und sinnliche Beziehung zwängen wollen: die Ehe. Den jungen Menschen wird seitens der Religion als beglückendste Form der zwischenmenschlichen Beziehung, wenn denn schon der klerikale Zölibat, der natürlich als beglückendste Lebensform gilt, nicht in Frage kommen sollte, die monogame, bis zum Tod gefälligst zu währende Ehe quasi aufgenötigt. Jede andere Form, sei es Ehe ohne Trauschein, Kommune, parallele (mehrere Partner gleichzeitig) oder sequentielle (mehrere Partner nacheinander, sprich Scheidung mit anschließender Wiederverheiratung) Polygamie, Single-Dasein mit wechselnden Partnern, usw. wird als Sünde und Unzucht verteufelt. Die jungen Menschen werden also dazu gedrängt, ihrem Partner die Treue bis zum Tod zu schwören, anders ausgedrückt, sie sollen für den Rest ihres Lebens z.B. darauf verzichten, sich neu zu verlieben, und somit gleichzeitig auf das hiermit verbundene, vielleicht schönste Gefühl, zu dem der Mensch emotional fähig ist. Der bereits oben erwähnte Priester und ehemalige Religionslehrer Willy Kessel scheint sich auch in dieser Thematik nicht wirklich darüber im Klaren zu sein, was er redet. Im gleichen Interview sagt er über das Verhältnis zwischen Gläubigem und Jesus: "Es ist wie in einer Ehe. Es ist nicht gut, wenn Fremde in der Ehe reinreden." Diese Aussage wird jeder seine Ehefrau tyrannisierende Mann gerne aufgreifen und jedem Fremden (sprich Schwiegereltern, Freunde der Ehefrau, ...) der sich anschicken sollte, der Ehefrau den Rücken zu stärken, genüsslich vorhalten. Es ist gerade dieses möglicherweise gut gemeinte Gebot eines Willy Kessel, das viel zu viele Ehefrauen daran hindert, ihr Martyrium rechtzeitig zu beenden, bzw. sich Fremden anzuvertrauen. Ich hoffe der Leser merkt den unsäglichen Zynismus, der darin besteht, die gleiche Handlung, die ich an dieser Stelle Sich anvertrauen nenne, als Reinreden in ein sehr zwielichtiges Licht zu rücken. Was die Sache noch verschlimmert ist der Umstand, dass gerade die in unglücklichen Ehen gestrandeten Menschen dieses "Reinreden", besser gesagt dieses Aussprechen besonders nötig hätten. Warum also genau tut ein ansonsten kluger Mann wie Willy Kessel so etwas? Bei mir keimt der Verdacht auf, dass ihm letztendlich die Aufrechterhaltung einer Ehe um jeden Preis mehr als das individuelle Glück des einzelnen Ehepartners am Herzen liegt. In dieser Haltung verdichtet sich die ganze verheerende und menschenverachtende Wirkung von Religionen. Die Religionsvertreter, sowie die entsprechenden Gläubigen stellen in aller Regel ein Gottesgebot, in diesem Falle "Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen" über das persönliche Glück des Menschen.

Die Religionsvertreter müssten mittlerweile verstanden haben, dass wohl mehr als die Hälfte der Ehen scheitern. Unter Scheitern verstehe ich nicht notwendigerweise die Scheidung, sondern auch, vielleicht sogar insbesondere, die unglücklichen Ehen. Hierbei muss man nun bedenken, dass hier ein Modell erschreckend oft scheitert, obwohl es von Kirche und Gesellschaft mit allen Mitteln und aller „Macht“ gefördert wird. Ich bin überzeugt, würde z.B. die Kommune, also eine Art Gruppenehe, von Gesellschaft und ihren moralischen Autoritäten derart gefördert, wäre sie mit Sicherheit nicht weniger erfolgreich. Ich will jetzt hier keine Abhandlung über bessere Beziehungsmodelle liefern, auch wenn dies dringend erforderlich wäre. Ich will dem Leser lediglich klar machen, dass Religionen nicht nur weltpolitisch kontraproduktiv sind, sondern dem individuellen Glück der meisten Menschen ungemein im Wege stehen. Es hat den Anschein, dass alle Religionen geradezu erpicht darauf sind, die zwischenmenschliche Liebe mit aller Macht kaputtzumachen, damit dem Menschen kein anderer Ausweg bleibt, als eine wie auch immer geartete Gottheit zu lieben.

Jetzt wird wohl so mancher Leser einwenden, dass auch die nicht katholischen Ehen keine bessere Bilanz aufzuweisen haben, dass also die Beziehungsproblematik nicht religiösen Ursprungs ist. An dieser Stelle muss ich Nietzsche (mal wieder) Recht geben, wenn er sagt, dass wir dem Christentum zwei Dinge zu verdanken haben: die Sünde und die Erlösung von derselben, nur dass der Glaube an die Erlösung mittlerweile zurecht zu verschwinden droht, die Sünde aber geblieben ist. Die Ehen scheitern nicht deswegen so häufig, weil die Menschen schlecht wären, sondern weil die klassische monogame und bis zum Tod angelegte Ehe für den Menschen schlecht ist. Sie ist keine „artgerechte“ Haltung für das Lebewesen Mensch. Die Treue bis in den Tod kann in den überwiegenden Fällen nur Dank einer von Religionen tiefeingepflanzten Scham gegenüber Sexualität aufrecht erhalten werden. Nietzsche will sagen, die Religionen haben genau dem Menschen diese Scham, diesen Ekel vor sich selber, mit einem riesigen Aufwand und sehr erfolgreich und nachhaltig eingeimpft. Sie wirkt noch lange nach, auch wenn der Glaube an die Erlösung längst verschwunden ist. Man kann es nicht deutlich genug sagen: Die Religion ist der Todfeind der Liebe. Alle Götter, insbesondere die monotheistischen Götter, blicken voller Neid und Eifersucht auf das, was Menschen für einander empfinden können, sei es nun zwischen Eltern und Kind oder zwischen Erwachsenen. Sie versuchen mit allen Mitteln, dieses Gefühl für sich zu vereinnahmen und meinen, dass dazu als erstes die natürliche Zielrichtung dieses Gefühls erledigt werden muss. Es ist kein Zufall, dass Religionen im Allgemeinen alles Sinnliche, insbesondere Sexuelle, mit aller Gewalt beschmutzen. Das ganze Treuegetue in der Form „bis der Tod Euch scheidet“ hat als letztendlichen Zweck, die natürliche Liebesfähigkeit des Menschen im Keim zu ersticken. Die Erwachsenen dürfen sich ab einem solchen Treueversprechen den anderen Erwachsenen gegenüber nicht mehr „natürlich“ verhalten. Der Erwachsene muss jedes Aufkeimen von Sympathie, sinnlichem Genuss und Begehren, das sich auf andere Menschen, als den Partner richtet, mit aller Macht unterdrücken. Religionen berauben auf diese Weise den Menschen eines Großteils seines Glückspotentials, das ganz einfach in einem ganzheitlichen, nicht mit Scham verdorbenem Umgang mit anderen Menschen entspringen würde.

Es gibt wohl kaum Menschen, die derart häufig das Wort Liebe in den Mund nehmen, als katholische Kleriker, und gleichzeitig ihr ganzes Leben genau diese nicht empfinden wollen, weder zu einem anderen Erwachsenen, noch zu einem Nachkommen. Den Religionen ist es zu verdanken, dass die Mehrzahl der Erwachsenen, insbesondere Männer, einen Großteil ihrer Energie darauf verwenden müssen, ihren Eros, der aufgrund der religiösen Vergiftung zum Laster entartete, wie Nietzsche es vortrefflich formuliert, nieder zu ringen. Dieser Kampf äußert sich u.a. auch in einem unübersehbaren Streben nach materialistischer Ersatzbefriedigung. Weil insbesondere der Ehemann sein Begehren nicht mehr auf die Frau(en) richten darf, lenkt er es notgedrungen um auf einen Ferrari. Ich werde später noch mal auf den Begriff der Geschwisterliebe in einem anderen Zusammenhang zurückkommen, aber bereits jetzt könnte man getrost den Verdacht äußern, dass insbesondere das Christentum, mit seinem ständigen Gerede von "Brüdern und Schwestern" die menschliche Erotik zerschlagen will. Die gesunde und beglückende Sinnlichkeit wird als Unzucht betitelt, ja man könnte fast sagen, das Christentum betrachtet jede sexuelle Aktivität zwischen den geschwisterlichen Gläubigen als eine Art verdammungswürdiger Inzest. Menschen, die zum selben Vater aufblicken, haben nun mal keinen Sex miteinander zu haben. Hinzu kommt, dass das Christentum den Menschen im infantilen, unerwachsenen Zustand belassen will, wie wir später hier noch erörtern werden, und somit käme zum anrüchigen Inzest noch die anrüchige Pädophilie hinzu: (Gottes)Kinder haben keinen Sex. Die Idealvorstellung eines Christenmenschen ist ein kindlich gebliebener Erwachsener, der zum Gottvater aufblickt und die anderen erwachsenen Menschen als unerotisierende Geschwister betrachtet. Was für eine Reduzierung des Menschen!

Eine kleine persönliche Geschichte unterstreicht meine Überzeugung, dass Religionen dem Menschen das Leben unnötig schwer machen können. Mein Vater war ein streng katholischer Gläubiger und liebte seine Kinder zweifellos. Trotzdem spendete er das gesamte von meiner Mutter mühsam über Jahre für eine moderne Waschmaschine gesparte Geld im Rahmen einer Sammlung im Dorf für den Kauf einer neuen Glocke für die Dorfkirche. Dass unsere bescheidenen finanziellen Verhältnisse, über die der Pfarrer im Bilde war, ihn, den Pfarrer nicht daran hinderten, das Geld anzunehmen, ist der eigentliche Skandal. Er wusste, dass wir 14 Kinder waren und noch keine Waschmaschine hatten. Die gesamte Wäsche wurde in einem mit Holz beheizten Bottich mit elektrisch betriebenem Mischer hin- und hergerührt. Anschließend musste jedes einzelne Stück auf der Hand ausgewrungen werden, bevor die Wäsche in eine separate Schleuder umgefüllt wurde. Ich will meinem Vater an dieser Stelle keinerlei Vorwurf machen. Er hat im guten Glauben gehandelt, bzw. seine vermeintliche Pflicht erfüllt. Hier trifft genau die Aussage von Steven Weinberg zu, wenn er behauptet: “Damit ein guter Mensch Böses tut, bedarf es der Religion.“ Mein Vater, der mit Sicherheit ein guter Mensch war, tat Böses, indem er das für die Waschmaschine gesparte Geld einem anderen, religiösen und weit weniger dringlichen Zweck, zuführte. Die Zeche zahlten meine Mutter und meine älteren Schwestern die weiterhin jahrelang nicht in den Genuss der Arbeitserleichterung dank einer vollautomatischen Waschmaschine gelangten.

Man kann es nicht laut genug sagen: Religionen sind nicht daran interessiert, dass der Mensch ein glückliches Leben führt, sondern sie beharren darauf, dass der Mensch gefälligst ein gottgefälliges Leben zu führen hat. Natürlich bemühen sich die Relgionsvertreter dem Menschen die Gottgefälligkeit als das höchstmögliche Glück zu suggerieren, aber Gottgefälligkeit ist mitnichten Synonym für persönliches Glück.

Zu Teil 4
Gerhard Schmitz, St.Vith.
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#Posté le lundi 08 décembre 2008 07:42

Modifié le vendredi 18 septembre 2009 15:21

Ein Himmel voller Greise... (Teil 2)

...oder wie der zu Ende gedachte Himmel zum Albtraum wird.

Zu Teil 1

Die unbestrittene Tatsache, dass Religionen, derzeit insbesondere der Islam, auch und vielleicht sogar vor Allem makropolitische Risiken beinhalten, haben andere atheistische Autoren (Harris, Dawkins, Onfrey, Hitchens, ...) ausführlich und überzeugend dargelegt.

An dieser Stelle muss ich eine kleine Klammer aufmachen und eine Lanze für diese Neuen Atheisten brechen. Es sind z.T. hochdekorierte Wissenschaftler, deren Fachkompetenz fairerweise von Theologen durchaus anerkannt wird. Aber diese Theologen bemühen immer dann, wenn sie auf diese Autoren angesprochen werden, ihr Lieblingsargument, das der katholische Theologe Walter Brandmüller wortwörtlich in einem Interview der Welt Online [2] folgendermaßen formuliert: "Aber: Er (Richard Dawkins) kann mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht an geisteswissenschaftliche Probleme herangehen. Das ist genauso verfehlt, wie wenn ich etwa die kristalline Struktur eines Minerals mit Methoden der Literaturkritik erforschen wollte. Das geht nicht. Die Methode muss dem Gegenstand der Erforschung angemessen sein." Also ist der Gott von einem Brandmüller kein naturwissenschaftliches Problem, keine naturwissenschaftliche Realität, sondern geisteswissenschaftliche Realität. Im gleichen Interview unterstreicht Brandmüller diese nicht naturwissenschaftliche Realität, indem er sagt: "Einer geistigen Realität, und das ist Gott, können Sie nicht mit naturwissenschaftlichen Methoden habhaft werden." Etwas, was dieser Definition entspricht ist also naturwissenschaftlich weder materiell, noch als Energie, noch sonstwie naturwissenschaftlich spürbar. Ich bezweifele, dass der Durchschnittsgläubige sich mit einem derart definierten Gott, der letztendlich nur als Gedanke existiert, zufrieden gibt. Wie dem auch sei, wie kann etwas, was naturwissenschaftlich nicht spürbar ist, irgendetwas Spürbares - und das gesamte Universum kann man zweifellos als etwas derartiges bezeichnen - in Bewegung setzen? Denn dummerweise verweist Brandmüller im gleichen Interview auf den Gottesbeweis von Aristoteles, wonach es ja einen ersten Beweger gegeben haben muss. Wenn also Gott etwas nicht rein Geistiges, sprich etwas Naturwissenschaftliches in Bewegung gesetzt haben soll, muss er, dieser Gott, aus Sicht des Bewegten spürbar gewesen sein. Und schon haben wir einen heftigen Widerspruch in der Argumentation und Walter Brandmüller ist dieser offensichtlich nicht aufgefallen. Neben diesem Widerspruch erscheint die Arroganz von Walter Brandmüller nebensächlich. Die Arroganz, die darin besteht, dass er sich zu einer Klicke von Denkern, die sich Geisteswissenschaftler nennen, zählt, denen im Gegensatz zu den Naturwissenschaftlern alleine das Recht zusteht, über das Allerhöchste, nämlich Gott zu sinnieren und Aussagen zu treffen. Diese Überheblichkeit, die schon der historische Jesus vor 2000 Jahren den Pharisäern vorwarf, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen letztendlich als Erbärmlichkeit, die dann zutage tritt, wenn Theologen sprichwörtlich mit ihrem Latein, das sie so gerne und häufig bemühen, am Ende sind. Im gleichen Interview kann sich Brandmüller folgenden Kommentar nicht verkneifen: "Aber ich bitte Sie, das ist doch nichts anderes als aufgewärmter Feuerbach." Nicht nur, dass Brandmüller die Aussagen von Feuerbach (1804 - 1872) mit keinem einzigen Argument widerlegt, nein Brandmüller wärmt seinerseits noch viel ältere philosophische Argumentationsmuster auf, indem er im gleichen Interview Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) und Thomas von Aquin (1225 -1274) in seine Waagschale wirft. Alles in allem erreicht Brandmüller mit seinem oben erwähnten Widerspruch und seiner Flapsigkeit in Bezug auf Feuerbach eine erstaunliche Dichte an intellektueller Unredlichkeit in diesem Interview. Diese Unredlichkeit ist nicht untypisch für Theologen wenn's um den Atheismus geht. Mit gebetsmühlenartiger Regelmäßigkeit werden Hitler und Stalin als Beweis für den Misserfolg von Atheismus angeführt. Dabei waren beide mitnichten Protagonisten der Aufklärung. Beide haben ein religiöses System übernommen, in dem sie lediglich Gott durch ihre eigene Person ersetzen mussten. Aber das wissen diese Theologen nur zu gut.

Hier noch ein weiteres Beispiel von intellektueller Unredlichkeit von Theologen. Als der russische Kosmonaut Juri Gagarin im April 1961 als erster Mensch im Weltraum seinen berühmten Satz "Ich war im Himmel und habe mich genau umgesehen... Es gab keine Spur von Gott" in die Mikrofone sprach, waren die Theologen schnell zur Stelle, um derlei Aussage als kindisch und nicht ernst zu nehmen zu betrachten. Dabei haben alle Gläubigen und Theologen wohl Gott und den jenseitigen Himmel genau dort, wo Juri Gagarin sich umgesehen hat, vermutet. Ein Blick auf die Gemälde, Fresken, Buchillustrationen wird jeden Zweifel an diese Vorstellung widerlegen. Es ist ja auch völlig nachvollziehbar, dass dieser strahlend blaue Himmel, insbesondre im Mittelmeerraum, die Menschen inspirierte. Alle konnten ihn sehen, aber keiner konnte dorthin. Wenn dann noch der Regen, Blitz und Donner, Regenbogen und Sternenpracht an genau diesem Ort ihre Heimat hatten, wer wollte es da dem Staunenden verdenken, dass er Gott und das Paradies nur dort zu finden glaubte. Die Tatsache, dass das Weltall nicht viel mit dieser strahlend blauen Illusion zu tun hatte, wussten die Wissenschaftler schon seit geraumer Zeit vor Gagarin, aber Juri war da, und jetzt war es sicher: Der strahlend blaue Himmel ist eine hauchdünne, um die Erdkugel gespannte blau schimmernde Hülle, welche Juri Gagarin durchflogen hatte und nun von hinten, mit einem tiefschwarzen, kalten Weltraum im Rücken, bestaunen konnte. Ich bin überzeugt, diese Erkenntnis hat sich noch immer nicht bis zu jedem Gläubigen durchgesetzt. Er ist zwar darüber informiert, dass sein Himmel so aussieht, wie Juri Gagarin ihn gesehen hat, aber richtig begriffen hat er es deswegen noch lange nicht. Klammer zu!

Ich möchte an dieser Stelle noch hinzufügen, dass man einem Fundamentalisten, ob dieser nun den Koran oder die Bibel wörtlich verstanden haben will, überzeugender gegenübertreten, beziehungsweise ihn eher verunsichern kann, wenn man den Meißel an das Fundament seiner Rechtfertigungskette, nämlich den Glauben an eine übernatürliche, sich selber offenbarende Existenz, genannt Gott, ansetzt. Der liberale, beziehungsweise sich aufgeklärt gebende Gläubige hat da einen weit schwierigeren Stand. Die Problematik ist Folgende. Der zur Gewalt neigende oder gewalttätige Fundamentalist wird sowohl im Koran als auch in der Bibel zahlreiche Rechtfertigungen für seine Haltung finden. Da hilft es wenig, wenn der friedliebende Gläubige gleicher Couleur dem Fundamentalisten hier und da eine gutmütige Koransure oder gutmütigen Bibelvers entgegenhält, denn er wird zu Recht fragen, warum die eine und nicht die andere Verlautbarung Gottes maßgebend ist. Des Weiteren wird der Versuch des gemäßigten Gläubigen, den Fundamentalisten dazu zu bringen, die Heilige Schrift eben nicht wörtlich auszulegen, daran scheitern, dass der Fundamentalist den liberalen Gläubigen zu Recht nach der Grundlage für seine Umdeutung des heiligen Worts fragen wird.
So konnte z.B. der deutsche Islamist Daniel Schneider einem Verwandten, einem gläubigen Katholiken, aus dem Stegreif die Bibel zitieren (Mt 10,34): "Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert." Als der besagte Verwandte erwiderte, dass dies nicht wörtlich zu nehmen sei, sagte Daniel Schneider, dass dies das Verbrechen der Christen sei, dass sie Gottes Wort ständig interpretieren. Im Islam gebe es nur ein Wort Gottes. Und sein Gesetz, die Scharia, sei unveränderbar.[12]

Man kann ohne Übertreibung sagen, dass der Atheist gegenüber einem religiösen Fundamentalisten ein leichteres Spiel hat, als der liberal eingestellte Gläubige, wenn es darum geht, den Fundamentalisten von seinem Irrweg abzubringen. Der Atheist kann versuchen Gott, die Bibel, die Thora oder den Koran ohne Rücksicht auf eigene Glaubensdogmen zu entzaubern. Dem weichgespülten Christen könnte der islamistische Fundamentalist, der Gewalt durchaus als legitimes Mittel der Glaubensausübung, -bewahrung oder -verbreitung versteht, Folgendes entgegenhalten: "Waren die hochgebildeten Dominikaner oder Jesuiten, die das Handwerk der Inquisition im Mittelalter anhand der Bibel begründeten, denn dümmer als Eure heutigen Gelehrten? Oder gibt es seit dem Mittelalter etwa neue biblische Erkenntnisse oder gar neue Offenbarungen Eures Gottes, auf deren Grundlage Ihr heute die Verurteilung der Inquisition begründet?" Ich denke, dieser Argumentation wird der Durchschnittschrist völlig hilflos gegenüberstehen. Er wird sich zwar weiterhin über die Militanz des Islamisten empören und versuchen auf ihn einzureden, aber handfeste Gegenargumente werden ihm kaum mehr einfallen. Und das ist das, was dem Islamisten letztendlich "ein gutes Gefühl" ob seiner Militanz geben wird.

Ich erinnere mich noch gut daran, als ich zu meiner Studentenzeit an einem Samstagvormittag im Kommu (so heißt der Aufenthaltsraum einer Studenten-WG in Neu-Löwen) unserer Studentenvereinigung Eumavia mit anderen mir die Zeit damit vertrieb, die Passanten - das Kommu war im Erdgeschoss - zu beobachten. Auf einmal kamen drei oder vier Neonnazis, was man an ihren weißen T-Shirts mit schwarzaufgedrucktem großformatigem Hitler-Porträt und offenen Lederjacken unschwer erkennen konnte, schnurstracks auf uns zu. Ich sagte zu meinen Kommilitonen: "Wartet, die laden wir auf ein Bier ein." Die Neonazis nahmen dieses Angebot gerne an. Ohne lange um den heißen Brei zu reden, kamen wir auf ihre unverkennbare Gesinnung zu sprechen. Ab dem dritten Bier fingen sie langsam an, den Reißverschluss ihrer Lederjacken zuzumachen. Ein paar gezielte Frage im Stile von: "Hast Du ein kleine Schwester? Was würdest Du empfinden, wenn sie abgeholt würde, nur weil sie Wallonin ist? Hat nicht Hitler Arbeitsplätze auf Pump geschaffen?" haben genügt. Als die Neonazis uns wieder verließen, waren ihre Lederjacken allesamt hochgeschlossen. Sie schienen sich wirklich für ihr T-Shirt zu schämen. Nun stelle man sich mal vor, wie ungleich schwerer unsere Bekehrungsbemühungen gewesen wären, hätten wir unsererseits ein rotes T-Shirt mit dem Porträt von Stalin getragen und die Neonazis wären im Bilde über die grausame Stalinära gewesen. Es war für uns von unschätzbarem Vorteil, eben keinen wie auch immer gearteten Führer zu verehren.

Dieses Ungemach, das wie gesehen darin besteht, als liberaler Gläubiger einem Fundamentalisten entgegenzutreten, wird auch gläubige, oder zumindest der Religion wohlgesonnene Politiker heimsuchen, wenn sie auf Regierungsebene die Vertreter von Gottesstaaten zur Vernunft bringen sollen. Sam Harris hat Recht, wenn er sagt, dass die allgemeine Akzeptanz von Glauben an sich der ideale Nährboden für Fundamentalismus darstellt. Des Weiteren kann man getrost davon ausgehen, dass sich die Fundamentalisten im Allgemeinen als die konsequenteren, und demzufolge als die besseren Gläubigen betrachten. Gemäßigte Gläubige, die mit dem Koran oder der Bibel hausieren gehen, dafür sorgen, dass in jedem Hotelzimmer ein Exemplar auf dem Nachttisch liegt, unablässig in Gotteshäusern dafür werben, müssen sich nicht wundern, wenn der eine oder andere diese Heilige Schrift ganz liest und insbesondere Gefallen an den auch darin enthaltenen martialischen und grausamen Textpassagen findet. Derjenige, der Alkoholismus bekämpfen will, wird ja mit Sicherheit auch nicht jedem Haushalt ein Geschenkpaket mit einer Flasche Milch, einer Flasche Apfelsaft und einer Flasche Wodka vor die Haustür legen. Und was macht es für einen Eindruck auf z.B. Jugendliche, wenn ich einerseits auf Alkoholexzesse hinweise, aber jede kritische Bemerkung bezüglich Alkohol, oder jedwede Satire, die sich über den Alkoholkonsum lustig macht, mit dem Hinweis auf die Unverletzlichkeit der Gefühle von Alkoholikern oder Schnapsproduzenten abschmettere.

Ich denke die wirksamere Antwort auf die schleichende Islamisierung Europas ist nicht eine Rückbesinnung auf das Christentum, sondern eine grundsätzliche und schonungslose Infragestellung von religiösem Glauben. Die angesprochene Rückbesinnung auf das Christentum müsste schon fundamentalistische Züge annehmen, um überhaupt ein ernstzunehmender Gegenpol zur Islamisierung darzustellen. Eine Ismalisierung Europas, die durchaus in Ermangelung von überzeugenden friedlichen Argumenten sich nicht sonderlich scheut, das Mittel der Angstverbreitung einzusetzen, wird sich von weichgespülten Christen nicht sonderlich beeindrucken lassen.

Ein weiterer Hinweis darauf, dass grundsätzliche Infragestellung von Glauben, nennen wir diese ruhig Atheismus, die bessere Antwort auf religiöse Bedrohung darstellt, liegt darin, dass dem Durchschnittsatheisten die Grausamkeiten der religiösen Fundamentalisten wohl noch abstruser vorkommen, als dem weichgespülten Gläubigen. Letzterer läuft Gefahr, den 11. September oder ein beliebiges Selbstmordattentat letztendlich doch irgendwie als missverstandene religiöse Pflichterfüllung wahrzunehmen und nicht als den furchtbaren Wahnsinn, der es letztendlich ist. Der weichgespülte Gläubige läuft tatsächlich Gefahr, dem religiös motivierten Terroristen aufgrund seines Glaubens mildernde Umstände einzuräumen. Würde ein FC-Bayern-Fan aus „Liebe zu seinem Verein“ die AOL-Arena des HSV mitsamt 50.000 Zuschauern in die Luft sprengen, würde (hoffentlich) niemand das als eine missverstandene Pflichterfüllung eines überzeugten FC-Bayern-Fans entschärfen. Alle wären sich einig, auch die FC-Bayern Fans, dass eine solche Tat nichts, aber auch gar nichts anderes wäre, als grausamer Wahnsinn, und dass auch noch jede so klitzekleine Ermutigung zu derlei Taten, oder jede Textpassage, die unter Umständen in diesem Sinne interpretiert, gedeutet oder exigiert werden könnte, nichts aber rein gar nichts in den offiziellen Statuten des FC-Bayern-Fanclubs zu suchen hätten.

Zu Teil 3
Gerhard Schmitz, St.Vith.
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#Posté le lundi 08 décembre 2008 07:36

Modifié le jeudi 17 septembre 2009 14:43

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